Thomas Jefferson formulierte 1813 einen Gedanken, der heute aktueller ist denn je:
Wissen ist unendlich teilbar, ohne dass der ursprüngliche Besitzer etwas verliert.
Oder in modernen Worten:
Sobald Wissen einmal geschaffen wurde, kostet seine Vervielfältigung fast nichts.
Genau dieser Mechanismus trifft heute auf Software zu – und KI beschleunigt ihn dramatisch. Was früher ein knappes Gut war, das nur hochqualifizierte Spezialisten bereitstellen konnten, wird plötzlich zur Massenware. Und sobald etwas radikal günstiger wird, gilt ein zweites ökonomisches Grundgesetz:
Je billiger eine Einheit, desto größer die Gesamtmenge, die abgesetzt wird.
Wenn man beide Effekte zusammenführt, entsteht ein völlig neuer Beruf:
Programmieren als Dienstleistung für alle – so zugänglich wie ein Haarschnitt.
Wenn Code praktisch kostenlos wird
Software war jahrzehntelang ein hochpreisiges Spezialprodukt.
Nicht, weil die einzelnen Bits teuer wären, sondern weil die Erstellung teuer war – das Wissen, die Ausbildung, die knappe Ressource Mensch.
Mit KI ändert sich das fundamental:
- Code entsteht in Sekunden.
- Qualität steigt, Fehler sinken.
- Die Grenzkosten eines zusätzlichen Softwareprojekts tendieren gegen null.
Jefferson beschreibt exakt dieses Phänomen:
Einmal erschaffen – unendlich reproduzierbar.
Wenn Software dadurch drastisch billiger wird, setzt das Preis-Mengen-Gesetz ein:
Die Nachfrage explodiert.
Software wird nicht nur häufiger genutzt – sie wird überall eingesetzt:
- Im Handwerk
- Im Einzelhandel
- In Schulen
- In Familien
- In Kleinstunternehmen
- In Vereinen
- In Hobbys, Mikroprojekten und Alltagsprozessen
Und genau hier entsteht die Parallele.
Warum Programmierer die neuen Friseure werden
Friseure sind ein Berufsbild, das trotz geringer Geldmittel, geringer Eintrittsbarrieren und oft geringer formaler Bildung seit Jahrzehnten stabil bleibt. Warum?
Weil der Wert nicht im Schneiden selbst liegt.
Der Wert liegt im Dienstleistungsprozess:
- Menschen verstehen
- Wünsche interpretieren
- Ängste beruhigen
- Geschmack übersetzen
- Entscheidungen erleichtern
- Ergebnisse sichtbar machen
Das Handwerk ist die Oberfläche.
Die Dienstleistung ist der Kern.
Mit der KI wird Programmieren genau zu so einem Beruf:
- Der technische Teil wird trivial.
- Der Service-Teil wird entscheidend.
- Die Arbeit verschiebt sich von „Code schreiben“ zu „Menschen begleiten“.
Plötzlich kann fast jeder Mensch – auch ohne hohe Bildung – Software für andere anbieten:
- Kleine Tools
- Automatisierungen
- individuelle Bots
- Mini-Apps
- micro-SaaS
- persönliche digitale Lösungen
So wie jede Person heute Haare schneiden lassen kann, kann künftig jeder digitale Lösungen beauftragen.
Und so wie viele Menschen heute Haare schneiden lernen können, wird künftig fast jede Person Softwarelösungen erstellen können – mit KI als Handwerkszeug.
Ein neues Massenberufsbild entsteht
Das Berufsbild des Programmierers wird sich spalten:
1. Eine kleine Elite arbeitet an den Systemen, die alles ermöglichen.
Sie bauen die großen Modelle und Architekturen.
2. Eine breite Masse erbringt die alltägliche digitale Dienstleistung.
Sie arbeiten nah am Menschen – wie Friseure.
Das bedeutet:
- lokale Mini-Dienstleister
- günstige, schnelle Lösungen für Alltagsprobleme
- keine akademischen Zugangsvoraussetzungen
- stärker sozial als technisch geprägt
- enorme Nachfrage durch die extreme Preisreduzierung
Der Beruf wird demokratisiert.
In dieser Logik ist KI kein Jobkiller.
Sie ist ein Job-Transformator.
Fazit: Jefferson hat es vor 200 Jahren vorhergesagt
Jeffersons Gesetz erklärt, warum KI die Softwareproduktion vervielfältigt:
Wissen ist unendlich kopierbar.
Das Preis-Mengen-Gesetz erklärt, warum daraus ein riesiger Markt entsteht:
Was billig wird, wird massenhaft genutzt.
Und das Friseurhandwerk zeigt, wie ein Berufskonzept aussehen kann, das in einem Umfeld niedriger Eintrittshürden und hoher Alltagsrelevanz stabil bleibt.
In genau dieser Schnittmenge entsteht der Programmierer der Zukunft:
ein Dienstleistungsberuf für alle.