Wie IT-Unternehmer R. wächst, statt zu schrumpfen
Viele IT-Unternehmen fürchten, dass Künstliche Intelligenz die Entwicklung so sehr beschleunigt, dass weniger Menschen gebraucht werden. Doch das Gegenteil ist möglich: Wer seine Angebote klug neu denkt, kann mit KI sogar profitabler und stabiler wachsen.
Anhand des fiktiven IT-Unternehmers R. (200 Entwickler:innen) zeigen wir, wie das gelingt – Schritt für Schritt.
1. Das 2000-Projekte-Paradoxon
R.s Sorge ist nachvollziehbar: Wenn seine Teams durch KI doppelt so schnell liefern, müsste der Vertrieb theoretisch fünfmal so viele Projekte beschaffen, um alle auszulasten.
Doch diese Rechnung beruht auf einem Denkfehler – sie setzt alte Angebotslogik in eine neue Welt.
KI verkürzt Entwicklungszeiten nicht, um Menschen zu ersetzen, sondern um Wertschöpfung pro Zeiteinheit zu steigern.
Das bedeutet: Produktisieren, bündeln, wiederholen – nicht immer mehr jagen.
2. Vom Projekt zur Plattform
• Fokus statt Flickenteppich: Wähle 2–3 Branchen, in denen du bereits Erfahrung hast, und entwickle dort standardisierte Lösungsbausteine.
• Vertiefung statt Verbreiterung: Branchenkenntnis schlägt Feature-Vielfalt.
• Wiederverwendung: Jedes Modul soll zu 80 % wiederverwendbar sein.
• Beispiele:
- KI-Dokumentenprozesse für Versicherer
- Qualitätsprüfung mit Vision-KI in der Industrie
- Copilots für Kundenservice im E-Commerce
👉 So entsteht aus „Projektarbeit“ ein wiederholbarer Wertstrom.
3. Ergebnis statt Aufwand
Der entscheidende Wechsel: Kund:innen kaufen Ergebnisse, nicht Stunden.
Formuliere deine Angebote als Outcome-Sprints mit klar definierten Deliverables.
Beispielhafte Struktur:
• Build-Sprint (2 Wochen) – funktionierender Prototyp mit Tests
• Hardening-Sprint (2 Wochen) – Security, Eval-Tests, Kostenwächter
• Integration-Sprint (2 Wochen) – Anbindung an Kundensysteme
Jedes Modul wird zu einem Produkt mit Fixpreis.
So wird Effizienz zum Vorteil – nicht zum Risiko.
4. Die eigene KI-Plattform als Wachstumsbasis
R. investiert intern in ein „Delivery-OS“ – ein Framework, das alle Projekte beschleunigt:
• Code-Templates & Prompt-Bibliothek
• Eval-Harness für Qualität & Halluzinationen
• Token-Budget-Kontrolle & Kostenüberwachung
• Security-Module & PII-Maskierung
Das ist nicht „Overhead“, sondern IP-Aufbau.
Jede Verbesserung erhöht den Wiederverwendungswert des nächsten Projekts.
5. Preismodelle, die mitwachsen
Ein KI-gestütztes IT-Haus braucht Preismodelle, die Beschleunigung belohnen, nicht bestrafen:
• Outcome-Preis pro Sprint
• Run-&-Optimize-Abos (monatlich)
• Bonus bei KPI-Erreichen (z. B. -30 % Prozesszeit)
• MSA mit Call-off-Katalog: einmal verhandeln, dann flexibel abrufen
• Channels & Marktplätze: geringere Akquisekosten, planbare Leads
6. Vom Vertrieb zur Pipeline
R. ersetzt die klassische Projektjagd durch eine Abo-Pipeline:
• Ziel: 150–250 aktive Accounts mit laufenden Sprints
• Tools: Demo-Videos, vertikale Landing-Pages, Benchmarks
• Partner: Branchenberater und BPO-Player als Zubringer
• Metriken: Lead Velocity Rate, Sales Cycle Length, Net Revenue Retention
👉 Nicht mehr 2000 Projekte finden, sondern 200 Beziehungen pflegen.
7. Neues Arbeiten: Pods statt Chaos
Effiziente Delivery bedeutet konstante Teams:
• 5 Entwickler:innen + 1 PM + 1 QA/AE = 1 Pod
• Pods ziehen Arbeit aus dem Abo-Backlog, nicht aus Zufallsprojekten
• Eval-Gates prüfen Qualität nach jedem Sprint
• Kosten-SLOs verhindern unkontrollierte Token-Ausgaben
Ergebnis: planbare Auslastung, stabile Qualität, klare Verantwortlichkeit.
8. Kulturwandel: Vom Coder zum AI-Engineer
R. baut gezielt eine Skill-Matrix auf:
Domain | Data | App | Ops | Trust.
• Weiterbildung: Pair-Programming mit KI, Evaluationskultur, Prompting.
• Incentives: Boni auf Kunden-KPIs statt auf Überstunden.
• Innovationszeit: 10 % pro Woche für eigene Tools oder Accelerators.
So wird aus Angst vor KI neue Kompetenz durch KI.
9. Das Zahlenbeispiel
Zur Orientierung:
Ein Pod liefert 22 Outcome-Sprints pro Jahr zu je 15 000 USD = 330 000 USD
- Run-Abos (5 × 3 000 × 12) = 180 000 USD
- Evolve-Add-ons (2 × 2 000 × 12) = 48 000 USD
= 558 000 USD pro Pod/Jahr
Bei 40 Pods (200 Entwickler:innen) ergibt das 22 Mio USD Umsatz –
mit planbaren Abos, wiederverwendbarer IP und höheren Margen.
10. 90-Tage-Plan für R.
Woche 1–2: Branchenfokus & Inventur bestehender Lösungen
Woche 3–6: Outcome-Sprints definieren, Plattform-Bausteine erstellen
Woche 7–10: Design-Partner onboarden, Referenzen aufbauen
Woche 11–13: Go-to-Market starten, Channel-Partner aktivieren
Ergebnis: Erste wiederkehrende Umsätze ab Monat 4, skalierbare Struktur ab Monat 6.
Fazit: KI beschleunigt – du entscheidest, wohin
R.s Ausgangssorge ist berechtigt, aber nicht unausweichlich.
KI kann Jobs verdrängen – oder Unternehmen stärken, die sie richtig nutzen.
Der Unterschied liegt nicht in der Technologie, sondern in der Haltung:
Mut, zu produktisieren. Mut, zu fokussieren. Mut, zu wachsen.
Checkliste für dein Unternehmen
☑ 2 Branchen definieren
☑ 8 Outcome-Sprints formulieren
☑ Eval-Harness aktivieren
☑ 3 Demos und 2 Referenzen veröffentlichen
☑ 2 Design-Partner onboarden
☑ 1 Channel-Partner sichern
☑ Pods & Backlogs planen
☑ NRR ≥ 120 %, Marge > 45 % anpeilen
Wachsen mit KI heißt nicht schneller rennen.
Es heißt, klüger zu bauen.