Falsche Unterstellungen treffen Menschen mit ADHS oft wie ein Blitz: Der Gerechtigkeitssinn explodiert, die Angst, falsch gesehen zu werden, springt an – und der Impuls, SOFORT klarzustellen, schiebt den Mund in den Turbo.
Damit du in solchen Situationen nicht vom Impuls gesteuert wirst, sondern selbst die Kontrolle behältst, bekommst du hier ein konkretes Bossfight-Kit für den Moment, direkt gefolgt von klaren Nach- und Vorbereitungsstrategien.
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1. Was in dir passiert (kurz, als Orientierung für deine Tools)
Bei Schuldzuweisungen oder falschen Unterstellungen läuft meist folgendes automatisiert ab:
1. „Gefahr!“ – Du fühlst dich unfair behandelt.
2. Nervensystem schaltet auf Fight-Modus.
3. ADHS-Impulsivität reduziert die Bremskraft.
4. Dein Mund startet, bevor du entscheidest.
Der Plan ist also: Bremse zuerst, reagieren später.
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2. Notfall-Plan für den Moment der Schuldzuweisung
Schritt 1: Körper-Stopp (sofort, bevor du redest)
Sobald du spürst „Autsch, das trifft mich“:
• Lippen sanft schließen
• Zunge an den Gaumen
• Füße fest auf den Boden drücken
• einmal tief einatmen (4 Sekunden)
• langsam ausatmen (6 Sekunden)
Innerer Satz dazu:
„Pause zuerst. Verteidigen kann ich später.“
Damit unterbrichst du den Turbo-Startreflex.
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Schritt 2: Verbaler Airbag – Sätze, die dir Zeit verschaffen
Schweigen ist oft schwer. Deshalb brauchst du 1–2 feste Sätze, die Zeit kaufen, ohne zuzustimmen oder zu eskalieren.
Wähle dir EINEN davon aus und lerne ihn auswendig:
• „Das fühlt sich für mich gerade unfair an. Ich brauche einen Moment.“
• „Ich sehe das anders, aber ich will nicht im Affekt reagieren.“
• „Ich muss kurz sortieren, bevor ich etwas dazu sage.“
• „Ich komme gleich darauf zurück.“
Oder wenn du schweigen willst, aber nicht defensiv wirken möchtest:
• „Ich nehme wahr, was du sagst. Ich sage später etwas dazu.“
Alle diese Sätze tun dasselbe:
→ Sie schieben den Kampf auf einen Zeitpunkt, in dem du stärker bist.
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Schritt 3: Gedanken parken
Damit du dich nicht gezwungen fühlst, JETZT alles klarzustellen:
• 2–3 Stichworte ins Handy oder ins Notizbuch:
• „Vorwurf: …“
• „Fakt: …“
• „Gefühl: …“
So signalisierst du deinem Gehirn:
„Nichts geht verloren. Wir klären das – aber nicht jetzt.“
Danach: wieder zuhören oder schweigen.
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3. Später klären – wenn dein Nervensystem runtergefahren ist
Wenn du ruhiger bist, nutzt du eine 3-Satz-Struktur, die klar und respektvoll ist, ohne dich anzugreifen oder zu rechtfertigen:
1. Was passiert ist
2. Wie es für dich war
3. Was du brauchst
Beispiel:
„Als du gestern gesagt hast, ich hätte XY absichtlich gemacht,
habe ich mich unfair beschuldigt und falsch verstanden gefühlt.
Ich möchte das gern geradeziehen. Lass uns das bitte in Ruhe durchgehen.“
Oder bei klarer Falschunterstellung:
„Ich habe den Eindruck, du gehst davon aus, dass ich XY gemacht habe.
Das stimmt so nicht.
Ich würde dir gern sagen, wie es aus meiner Sicht war.“
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4. Vorbereitung: Deinen Endgegner skripten
Damit du im Ernstfall NICHT mehr improvisieren musst.
4.1 Trigger-Sätze aufschreiben
Liste typische Sätze, die dich sofort treffen:
• „Schon wieder hast du…“
• „Du bist immer…“
• „Typisch du…“
• „Du lügst.“
Daneben jeweils eine fertige Antwort:
• „Der Satz trifft mich gerade sehr. Ich brauche einen Moment.“
• „Ich sehe das anders, aber nicht im Affekt.“
• „Stopp. Das fühlt sich nach einer Unterstellung an. Ich kläre das später in Ruhe.“
Diese Sätze laut üben → sie werden abrufbar wie Zaubersprüche.
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4.2 Mit Verbündeten absprechen
Wenn du vertraute Menschen hast:
„Ich arbeite daran, bei Schuldzuweisungen nicht sofort zu explodieren.
Wenn ich eine Pause nehme oder erstmal schweige, ist das mein Versuch, fair zu bleiben – nicht Abwertung.“
Dann wird dein Schweigen nicht falsch interpretiert.
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5. Innere Haltung für den Bossfight
Viele Menschen mit ADHS haben innerlich den Druck:
„Wenn ich nicht SOFORT reagiere, ist die Unterstellung wahr!“
Das stimmt nicht.
Sag dir bewusst:
• „Gerechtigkeit braucht manchmal Zeit.“
• „Ich bin glaubwürdig, auch wenn ich nicht in 3 Sekunden antworte.“
• „Meine Würde hängt nicht an einer Sofortreaktion.“
Der Endgegner lebt von Tempo.
Du gewinnst, wenn du das Tempo bestimmst.
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6. Mikro-Plan für die nächste echte Situation
Für die nächste Schuldzuweisung (sie kommt – versprochen 😅):
1. Mund schließen + Körperanker
2. Ein Airbag-Satz
– z.B. „Ich merke, das triggert mich. Ich sag später etwas dazu.“
3. 3 Notiz-Stichworte
4. Später klären, nicht im Hitze-Modus
Wenn du danach sagen kannst:
„Ich war nur 20 % impulsiv statt 100 %“
→ Das ist ein Sieg.