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ADHHHS: Kapitel 2 v1.0

Aufmerksamkeitsdefizitär, hyperaktiv, hypersensibel und hyperintelligent durchs wilde Absurdistan

Kapitel 2

Viele Menschen denken, dass Höchstbegabte schon als Kinder kleine Wunderwesen sind – dass sie alles sofort verstehen, überall glänzen und in jedem Bereich herausragen. Bei mir war es tatsächlich so, leider, wie ich inzwischen manchmal empfinde:

Ich übersprang die 2. Klasse, und war weiter in allen Fächern einer der Besten. Innerhalb der Testungen für Hochbegabte zählte ich im Kreis der Höchstbegabten noch immer zu den überdurchschnittlichsten in den Feldern Kreativität, Konzentration, Gedächtnis und Zahlenreihen. Ich wählte Mathematik und Altgriechisch als Leistungskurse und schrieb dort ebenso Einsen wie in allen anderen Fächern. Beim Abitur erhielt ich Auszeichnungen für meine Leistungen in Latein, Griechisch, Chemie und Deutsch.

Mit anderen über die eigene außergewöhnlich hohe Intelligenz zu sprechen, fällt mir schwer, weil die Fakten meist Ablehnung, Neid und Missgunst bedeutet haben.

Deshalb ist es mir sehr wichtig festzuhalten, dass der IQ nichts über den Wert eines Menschen aussagt. Ich habe zusätzlich ADHS und bin hypersensibel. Höchstbegabung ist in meinen Augen der zweite Teil meiner Neurodiversität, deren erster Teil mein ADHS ist: Ich verarbeite Reize schneller, vernetzter, impulsiver und intensiver. Dies führt zu Unterschieden in der Wahrnehmung und Strukturierung der Welt und geht auch mit besonderen Bedürfnissen einher.

Ich brauche ein enormes Maß an intellektuellem Input, um überhaupt ruhig zu werden. Wenn dieser Input fehlt, gerate ich schnell in eine Art inneren Stress, der sich bei mir durch das ADHS noch einmal stärker äußert – als würde mein Kopf gleichzeitig auf mehreren Frequenzen funken und nirgends wirklich zur Ruhe kommen. Logische Stimmigkeit ist für mich von höchster Bedeutung. Sobald etwas nicht zusammenpasst, nagt es an mir, bis ich es geklärt habe, selbst wenn andere das als Erbsenzählerei empfinden. Traditionen, die keinen Sinn ergeben, stelle ich deshalb oft früh infrage – nicht, um zu provozieren, sondern weil mein Denken sofort nach den zugrunde liegenden Mustern sucht. Dazu kommt, dass meine Sinne sehr fein sind: Geräusche sind lauter, Farben intensiver, dasselbe gilt für Emotionen. Mit ADHS potenziert sich diese Reizoffenheit – was einerseits faszinierend, andererseits aber auch schnell überwältigend sein kann. Reizüberflutung ist für mich kein theoretisches Risiko, sondern eine alltägliche Herausforderung, die ich immer wieder neu ausbalancieren muss.

Ich merke, dass all diese Besonderheiten bei mir durch die Kombination aus Hochintelligenz und ADHS oft noch intensiver hervortreten. Mein Denken wirkt manchmal wie ein Feuerwerk: Ein Funke reicht, und plötzlich sehe ich Zusammenhänge, die andere gar nicht bemerken. Eine Matheaufgabe oder eine komplexe Fragestellung springt mir förmlich entgegen, und noch bevor ich den Rechenweg bewusst durchgegangen bin, liegt das Ergebnis schon in meinem Kopf. Durch das ADHS kommt dazu, dass diese spontanen Geistesblitze noch ungebremster auftauchen – sie lassen sich nicht planen, nicht zähmen, sondern überfallen mich mitten im Alltag. Das kann unglaublich bereichernd sein, weil ich plötzlich Antworten oder Ideen habe, die wie aus dem Nichts entstehen. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass ich nicht immer sofort erklären kann, wie ich dorthin gekommen bin, was manchmal für Verwirrung bei meinem Gegenüber sorgt.

Manchmal ist es, als würde mein Kopf mir ein Geschenk machen, ohne dass ich darum gebeten habe. Ich erinnere mich an viele Situation, in der irgendetwas entwickelt habe. Ich hatte nie aktiv darüber nachgedacht, sondern war gewöhnlich mitten in einer ganz banalen Alltagsszene, wenn plötzlich zum Beispiele eine gesamte Struktur mitsamt einer klaren grafischen Darstellung wie ein fertiges Bild vor meinem inneren Auge auftauchen. Das ist dann kein mühsames Erarbeiten, sondern eher ein spontanes Aufblitzen – fast so, als hätte mein Gehirn im Hintergrund ständig gerechnet und mir das Ergebnis einfach vor die Füße gelegt.

Mit meinem ADHS ist dieses Phänomen noch ausgeprägter: Ideen erscheinen unerwartet, oft gleichzeitig, manchmal wie in einem Strudel, den ich gar nicht kontrollieren kann. Das kann überwältigend sein, aber es ist auch eine Quelle großer Kreativität und Tiefe, die mich immer wieder antreibt, Neues zu erschaffen und Zusammenhänge zu erfassen, die anderen verborgen bleiben.

Mit meinem ADHS passiert so etwas außerdem noch häufiger und unvorhersehbarer: Ideen springen mich an, überlagern sich, drängen gleichzeitig nach vorne. Manchmal ist das wie ein Segen, manchmal aber auch wie ein Überfall, der mich aus jedem ruhigen Moment herausreißt. Doch genau in diesem unkontrollierten Aufblitzen liegt für mich oft der Schlüssel zu Kreativität und zu Einsichten, die jenseits der linearen Logik liegen.

Oft empfinde ich dieses netzwerkartige Denken als Geschenk. Es ist faszinierend, wie mein Kopf ständig neue Verknüpfungen bildet: Ein Gedanke zieht den nächsten nach sich, jede Idee öffnet Türen zu weiteren Perspektiven. Doch gerade mit ADHS ist das nicht nur inspirierend, sondern auch anstrengend, weil es selten zur Ruhe kommt. Ich kann mich in Details verlieren, die andere überhaupt nicht bemerken, und spüre eine innere Unruhe, wenn irgendwo eine logische Lücke bleibt. Dann kreisen meine Gedanken, bis ich eine stimmige Verbindung finde. Das bringt mich oft dazu, Dinge bis ins kleinste Detail durchdringen zu wollen – manchmal bis hin zum Perfektionismus, der mich mehr lähmt als antreibt.

Ein besonders intensiver Moment ist für mich, wenn ein neues Konzept nicht nur als Gedanke entsteht, sondern als ganzes Bild vor meinem inneren Auge aufblitzt. Dann sehe ich plötzlich Strukturen, Zusammenhänge, manchmal sogar in Farben oder Formen – als würde sich Wissen wie von selbst zusammensetzen. Es passiert oft in Situationen, in denen ich gar nicht aktiv darüber nachdenke: beim Spazierengehen, beim Spielen mit meinen Kindern oder wenn ich nachts wachliege, weil mein ADHS mein Gehirn in Dauerbetrieb hält. In solchen Augenblicken habe ich das Gefühl, dass alles auf einmal Sinn ergibt, als hätte ich den entscheidenden Stein im Puzzle gefunden. Doch bis dieses Bild auftaucht, wirbelt mein Kopf unzählige Fragmente durcheinander, was für mich genauso erschöpfend wie beglückend sein kann.

Es ist spannend, welche weiteren Besonderheiten ich bei mir wahrnehme. Gleichzeitig kenne ich die Kehrseite: Mein Körper reagiert empfindlich, sei es durch Stress, Allergien oder die typischen Begleiterscheinungen meines ADHS. All das zeigt mir, dass meine Hochintelligenz nicht nur im Kopf sitzt, sondern meinen ganzen Organismus durchzieht, wie ein System, das anders verschaltet ist und deshalb auch anders funktioniert.

Dabei ist mir bewusst, dass man Hoch- und Höchstbegabte nicht alle in dieselbe Schublade stecken darf. Jeder von uns ist anders, jeder hat seine eigenen Muster, Stärken und Schwächen. Mein ADHS verstärkt diese Individualität noch, weil es mich zwingt, eigene Wege zu finden, mit der Vielfalt an Eindrücken umzugehen. Was für den einen bereichernd ist, kann für den anderen lähmend sein – und was mir logisch erscheint, kann für andere schwer zugänglich oder gar irritierend wirken. Gerade deshalb halte ich es für wichtig, dass jeder von uns sein persönliches Profil entwickeln darf, ohne ständig in Normvorstellungen gepresst zu werden.

Wenn ich mit anderen spreche, merke ich, dass mein Denken oft schneller läuft, als es für mein Gegenüber angenehm ist. Ich neige dazu, in kürzester Zeit sehr viele Informationen und Zusammenhänge herauszuschießen, was für andere schnell zu viel werden kann. Mein ADHS verstärkt diesen Drang noch – meine Gedanken springen, verbinden sich in Netzwerken, die für mich selbstverständlich sind, aber für andere wie ein Wirrwarr wirken. Ich denke selten linear in „erstens, zweitens, drittens“, sondern alles verknüpft sich in viele Richtungen gleichzeitig. Manchmal genügt ein kleiner Auslöser, ein Bild im Museum oder ein Nebensatz in einem Gespräch, und sofort setzt sich in meinem Kopf ein ganzes Netz von Ideen in Bewegung. Für mich ist das erfüllend, aber ich spüre auch, wie es andere überfordern kann. Und wenn nur ein einziger Baustein in diesem inneren Geflecht nicht passt, entsteht bei mir ein massives Störgefühl – etwas, das durch meine ADHS-Impulsivität noch verschärft wird und mich dazu treibt, Dinge zu korrigieren oder zu perfektionieren, bis sie für mich kohärent sind.

Gleichzeitig weiß ich, dass dieses Muster nicht nur eine Last ist. Mein Bedürfnis, Themen bis in die Tiefe zu durchdringen und jedes Detail in einen Sinnzusammenhang zu bringen, hat mir geholfen, komplexe Modelle und Ideen zu entwickeln, die andere so vielleicht nicht einmal sehen würden. Aber es bedeutet eben auch, dass ich lernen musste, mit meinem eigenen Perfektionismus und meiner inneren Unruhe umzugehen. Manchmal zwinge ich mich, nicht jedem logischen Bruch nachzugehen, nicht jede Ungereimtheit sofort zu entwirren. Mit ADHS ist das eine tägliche Übung: den Drang zum sofortigen Handeln zu zügeln, ohne meine kreative Energie zu verlieren.

Es gibt Momente, in denen dieses innere Feuerwerk ganz konkrete Formen annimmt. Einmal entstand in mir ein vollständiges Modell für ein Online-Handelssystem mit dynamisch tickernden Preisen – nicht nach tagelanger Planung, sondern plötzlich, mitten in einer alltäglichen Situation, während anderer Arbeit. Es war, als hätte mein Gehirn im Hintergrund leise Puzzleteile zusammengesetzt, bis das Bild schlagartig vor meinem inneren Auge aufleuchtete, komplett mit Struktur und grafischer Benutzeroberfläche. Ich musste es nur noch aufschreiben. Genau das ist typisch für meine Art zu denken: Ideen erscheinen nicht Schritt für Schritt, sondern in einer Art Gesamtschau. Durch mein ADHS passiert das oft noch ungestümer – die Einfälle kommen ungefragt, manchmal chaotisch, und ich habe kaum Kontrolle darüber, wann oder wie sie auftauchen.

Gerade diese Unkontrollierbarkeit ist ambivalent. Einerseits ist es berauschend, wenn ein Gedanke so klar und ganz plötzlich in mir aufscheint, andererseits kann es mich völlig überrollen. Es fühlt sich an, als würde mein Kopf pausenlos im Hintergrund rechnen, um mir irgendwann wie aus dem Nichts die Lösung auf den Tisch zu knallen. Manchmal treibt mich das an, manchmal aber kostet es mich Schlaf und Energie. Mein ADHS verstärkt dieses Gefühl des Ausgeliefertseins – und doch ist es genau diese Mischung aus Hyperintelligenz und Impulsivität, die meine Kreativität befeuert und mich immer wieder antreibt, neue Modelle, Konzepte oder Ideen zu entwickeln, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären.

Interessant ist für mich auch, dass meine Besonderheiten nicht nur kognitiver Natur sind, sondern den ganzen Körper betreffen. Ich bin sensibler für Reize, reagiere stärker auf Stress, und mein Organismus scheint feiner eingestellt zu sein als bei vielen anderen. Dazu kommt, dass mein Körper mit meinem ADHS oft in einer Art Daueranspannung steht – als wäre er ständig auf Empfang. Auch erzwungene Pausen fühlen sich für mich nicht erholsam an, wenn ich nicht zugleich geistig gefordert bin. Meine Hyperintelligenz zeigt sich also nicht nur in Gedanken, sondern auch darin, wie mein gesamtes System auf die Welt reagiert: intensiver, verletzlicher, aber auch außergewöhnlich wach.

Gleichzeitig weiß ich, dass sich Hoch- und Höchstbegabte nicht über einen Kamm scheren lassen. Jeder von uns trägt ein anderes Muster in sich. Manche erleben ihre Begabung vor allem analytisch, andere künstlerisch, wieder andere körperlich oder sozial. Bei mir selbst führt die Kombination aus ADHS und Hyperintelligenz zu einem ganz eigenen Profil, das mich unverwechselbar macht – mit allen Chancen und Risiken. Diese Individualität ist Fluch und Segen zugleich: Sie macht es schwer, sich einzuordnen, schenkt mir aber auch die Freiheit, ganz eigene Wege zu finden, wie ich mit meiner Neurodiversität durchs wilde Absurdistan navigiere.

Wenn ich mit anderen Menschen spreche, merke ich oft, dass mein Redetempo höher ist als ihnen lieb ist. Gedanken, die in mir in Sekundenbruchteilen miteinander verknüpft werden, wollen auch sofort hinaus. Manchmal sprudeln sie so schnell, dass mein Gegenüber kaum folgen kann – und mein ADHS gibt dem Ganzen zusätzlich einen Schub, der es noch beschleunigt. Ich springe von einer Idee zur nächsten, ohne dass ich selbst merke, wie viele Fäden ich gleichzeitig aufnehme. Für mich ergibt dieses Netzwerk aus Eindrücken und Assoziationen Sinn, doch anderen kann es chaotisch oder überfordernd erscheinen. Und wenn nur eine kleine logische Lücke bleibt, verspüre ich ein unangenehmes Ziehen im Inneren, das mich nicht loslässt, bis ich es aufgelöst habe.

Wirklich zur Ruhe komme ich erst, wenn das Puzzle in meinem Kopf vollständig und stimmig ist. Aber gerade das kann mich in den Perfektionismus treiben, weil ich die Impulse durch mein ADHS schwerer steuern kann. Ich habe lernen müssen, Grenzen zu setzen – sowohl mir selbst als auch meinem Umfeld zuliebe. Nicht jede Unstimmigkeit muss sofort aufgedeckt, nicht jede Idee sofort verfolgt werden. Dennoch bleibt dieser Drang in mir lebendig, und er ist zugleich mein Motor: aus der Unruhe heraus wachsen oft meine kreativsten und tiefsten Einsichten.

Dieses netzwerkartige Denken ist für mich ein Geschenk und eine Herausforderung zugleich. Es ist großartig, wenn eine Idee sich mit einer anderen verbindet, neue Perspektiven entstehen und ich das Gefühl habe, unendliche Möglichkeiten sehen zu können. Doch genau das macht es mir schwer, Entscheidungen zu treffen. Denn sobald ich einen Weg einschlagen will, tauchen sofort noch weitere Optionen auf, die ebenfalls plausibel und reizvoll erscheinen. Mein ADHS verstärkt diese Zerrissenheit, weil es mich drängt, jedem Impuls nachzugehen, statt bei einer Wahl zu bleiben. Selbst im Alltag, bei banalen Dingen, kann mich diese Fülle an Möglichkeiten blockieren, weil ich spüre, dass jedes kleine Detail den Ausgang verändern könnte.

Hinzu kommt, dass es mir schwerfällt, die Komplexität meines Denkens nach außen zu transportieren. Was für mich als vollständiges, lebendiges Netzwerk existiert, wirkt auf andere oft überladen oder unverständlich. Ich habe mir mühsam Techniken angeeignet, um meine Gedanken zu strukturieren und für andere greifbar zu machen – Mindmaps, Metaphern, visuelle Modelle. Doch leicht ist das nie. Mein ADHS sorgt dafür, dass ständig neue Fäden dazukommen, während ich noch versuche, die alten zu ordnen. Es ist ein permanenter Balanceakt zwischen dem Bedürfnis, verstanden zu werden, und dem inneren Überdruck, alles sofort ausdrücken zu wollen.

Damit andere mich wirklich verstehen können, muss ich oft lernen, meine Gedanken zu sortieren und in eine klare Reihenfolge zu bringen. Das fällt mir nicht leicht, denn mein Kopf arbeitet selten in geraden Linien, sondern springt zwischen Themen, Bildern und Ideen. Doch ich habe gemerkt, dass es wichtig ist, Prioritäten zu setzen und das Unbehagen auszuhalten, wenn ich Dinge weglasse, die mir eigentlich bedeutsam erscheinen. Metaphern helfen mir dabei sehr – sie erlauben mir, komplexe Strukturen greifbar zu machen und gleichzeitig meine Begeisterung für Details zu teilen. Auch Mindmaps sind für mich ein Werkzeug, um Ordnung ins innere Chaos zu bringen. Mit meinem ADHS ist das allerdings eine ständige Übung, weil mein Denken so leicht abschweift und ich dazu neige, immer neue Gedankenketten zu eröffnen, noch bevor ich die alten zu Ende geführt habe.

Wenn ich mich nicht verständlich machen kann, fühle ich mich schnell isoliert. Dann habe ich das Gefühl, dass die Verbindung zu meinem Gegenüber abreißt, obwohl ich eigentlich nur inhaltlich tiefer gehen möchte. Mit ADHS passiert es oft, dass meine innere Unruhe und mein Bedürfnis nach schnellerem Austausch als Überforderung wahrgenommen werden. Das kann einsam machen, weil ich mich manchmal frage, ob die Menschen überhaupt mich sehen – oder nur das, was sie aus meinen Worten herausfiltern können. Doch genau diese Spannung treibt mich auch an, Wege zu finden, wie ich mein Denken so übersetze, dass es Brücken baut statt Mauern.

In meiner Familie zeigt sich diese Vielfalt ganz konkret: Eines meiner Kinder ist hochbegabt, das andere durchschnittlich begabt. Sie gehen sehr unterschiedlich an die Welt heran, was im Alltag manchmal herausfordernd sein kann. Durch mein eigenes ADHS bin ich zusätzlich gefordert, die Balance zu halten – zwischen meinem eigenen inneren Chaos, dem Bedürfnis nach Anregung und der Notwendigkeit, beiden Kindern gerecht zu werden. Mir ist dabei besonders wichtig, dass wir als Familie Werte leben: Jeder ist anders, jeder hat seine Stärken, und keiner ist mehr oder weniger wert. Diese Haltung hilft uns, Unterschiede nicht als Konkurrenz zu begreifen, sondern als Bereicherung, auch wenn es nicht immer leicht ist.

Ich weiß aber auch, dass es Familien gibt, in denen diese Unterschiede zu Brüchen führen. Gerade wenn ein Kind als „zu schnell“ oder „zu anstrengend“ wahrgenommen wird – sei es wegen hoher Intelligenz oder wegen ADHS – entstehen leicht Spannungen. Geschwister fühlen sich manchmal übergangen, Eltern überfordert. Ich habe in meinem Leben oft erlebt, wie wichtig es ist, diese Unterschiede nicht zu verschweigen, sondern bewusst zu thematisieren. Nur so können wir verhindern, dass Neid, Missverständnisse oder Verletzungen die Beziehungen zersetzen. In meinem eigenen Umfeld war das immer ein Balanceakt, aber einer, den ich aus Liebe unbedingt eingehen wollte.

Manchmal merke ich, dass meine Art zu denken für andere eine Herausforderung ist. Ohne es zu wollen, rüttele ich am Selbstwertgefühl meines Gegenübers, wenn ich auf einen logischen Bruch hinweise oder Dinge in Frage stelle, die für viele selbstverständlich sind. Besonders in Beziehungen habe ich erlebt, wie bedrohlich meine Art des Denkens wirken kann – als würde meine Klarheit anderen ihre eigene Sicherheit nehmen. Durch mein ADHS passiert es zudem oft impulsiv, ohne dass ich vorher abwäge, ob der Moment dafür geeignet ist. Ich sage dann, was mir auffällt, einfach weil es in meinem Kopf nicht auszuhalten ist, es unausgesprochen stehen zu lassen. Das hat schon zu Konflikten geführt, zu Missverständnissen und manchmal auch zu schmerzhaften Erfahrungen, wenn Menschen auf Distanz gegangen sind.

Neid spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Ich spüre sehr deutlich, wenn andere meine Stärken nicht als Ressource sehen, sondern als Bedrohung. Und nicht selten habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen insgeheim froh waren, wenn mir etwas misslungen ist – als würde mein Scheitern ihnen Erleichterung verschaffen. Mit meiner hypersensiblen Wahrnehmung und meinem ADHS spüre ich solche Schwingungen oft sofort und viel intensiver, manchmal schon, bevor es ausgesprochen wird. Das ist verletzend, weil es mich unsicher macht und an meinem Vertrauen in andere kratzt. Dabei will ich gar nicht über jemandem stehen – im Gegenteil: Mein Antrieb kommt aus Neugier, aus dem Wunsch, Dinge zu verstehen und Sinn zu finden, nicht aus dem Bedürfnis, mich besser zu fühlen als andere.

Sehr oft bedeutet mein Anderssein, dass ich mich anpassen muss – und das in vielen Dimensionen: Ich reguliere mein Tempo herunter, vereinfache meine Ausdrucksweise, filtere die Komplexität meiner Gedanken, und überlege ständig, ob mein Gegenüber sich durch meine Art angegriffen oder überfordert fühlt. Das ist anstrengend, denn mit meinem ADHS fällt es mir schwer, diese ständige Selbstkontrolle durchzuhalten. Manchmal platzt mir einfach etwas heraus, weil ich die Ungereimtheit nicht ertragen kann. Und dann weiß ich nie, wie die Reaktion ausfällt: Wird mein Gegenüber den Hinweis als hilfreich aufnehmen, oder fühlt er sich bloßgestellt und verletzt? Diese Unsicherheit macht viele Begegnungen zu einem Minenfeld.

Gleichzeitig erlebe ich, dass ich oft in einer Art Zwickmühle stehe. Entweder ich passe mich an, sage weniger, halte meine Fragen zurück – dann bleibe ich zwar sozial integriert, aber innerlich unterfordert und unruhig, was mein ADHS noch verstärkt. Oder ich zeige mich so, wie ich bin: direkt, kritisch, manchmal unbequem – und riskiere, dass Menschen sich von mir abwenden. Besonders meine Tendenz, in komplexen Systemen sofort die Schwachstellen zu sehen und sie ansprechen zu müssen, führt zu Spannungen. Wenn ich aber schweige, nagt der Zweifel an mir, ob andere überhaupt mich mögen oder nur die Fassade, die ich nach außen aufrechterhalte. Dieses ständige Austarieren zwischen Authentizität und Anpassung ist einer meiner größten inneren Kämpfe im Gehirnfasching meines Denkens.

Ich habe auch den Eindruck, dass wir hier in Deutschland besonders vorsichtig mit dem Thema Intelligenz umgehen. Oft spüre ich, dass Menschen sich schämen, wenn es um hohe kognitive Fähigkeiten geht, oder dass sie den Begriff „Elite“ sofort mit etwas Negativem verbinden. Vielleicht liegt das an unserer Geschichte – daran, dass Intelligenz und Begabung im Dritten Reich pervertiert und missbraucht wurden, um Menschen auszugrenzen und zu vernichten. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass man den IQ kritisch betrachtet. Gleichzeitig erlebe ich genau darin die Absurdität: Aus Angst vor Überheblichkeit wird das Thema häufig tabuisiert, anstatt differenziert darüber zu sprechen. Mit meinem ADHS spüre ich diese Spannung noch stärker, weil ich Ungereimtheiten sofort bemerke und mich schwer damit tue, sie einfach stehen zu lassen. Ich möchte, dass man offen über Unterschiede reden darf – ohne gleich ein Werturteil darüber zu fällen.

Denn ich bin überzeugt: Gerade die Gesellschaft als Ganzes würde profitieren, wenn Menschen wie ich nicht ständig gebremst würden. Meine Hyperintelligenz erlaubt es mir, schnell neue Lösungen zu sehen, während mein ADHS mich antreibt, neugierig zu bleiben und ungewöhnliche Wege zu denken. Doch ich habe oft erlebt, dass andere damit hadern – dass ich als zu schnell, zu kritisch, zu „viel“ wirke. Besonders verletzend ist es, wenn andere sich über meine Fehler freuen oder sogar versuchen, meine Erfolge kleinzureden. Ich weiß, dass Neid ein menschliches Gefühl ist, fast ein evolutionäres Schutzprogramm, um nicht zurückzufallen. Aber für jemanden wie mich, der die Schwingungen und Zwischentöne ohnehin intensiver wahrnimmt, ist das schwer auszuhalten. Ich wünsche mir, dass meine Fähigkeiten nicht als Bedrohung gesehen werden, sondern als Chance, gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln – gerade hier, in diesem wilden Absurdistan.

Viele von uns Höchstbegabten sind beruflich selbstständig – und auch ich habe schnell gemerkt, dass mich nur ein einziger Beruf auf Dauer unterfordern würde. Meine Hyperintelligenz sucht immer nach neuen Herausforderungen, und mein ADHS sorgt zusätzlich dafür, dass ich Abwechslung brauche, um mich nicht zu verlieren. So habe ich verschiedene Tätigkeiten parallel entwickelt, Projekte gestartet, Unternehmen mit aufgebaut und immer wieder neue Ideen verfolgt. Für manche wirkt das wie rastloser Ehrgeiz, doch in Wahrheit ist es eher ein inneres Bedürfnis, ständig weiterzuwachsen und meine Energie in etwas zu lenken, das mich wirklich fordert. In einem intellektuell geprägten Umfeld kann ich aufblühen – dort, wo Kreativität, analytisches Denken und das ständige Infragestellen nicht als Störung, sondern als Bereicherung gesehen werden.

In einem klassischen Unternehmen habe ich dagegen schnell gespürt, wie schwierig es sein kann, meinen Platz zu finden. Mein Denken ist oft unkonventionell, meine Ideen überschreiten gewohnte Bahnen, und mit ADHS neige ich dazu, sie ohne lange Vorwarnung einzubringen. Für mich ist das selbstverständlich, für andere manchmal anstrengend oder bedrohlich. Ich muss mich dann immer wieder fragen: Ist dieser Einwand jetzt hilfreich oder wirkt er wie ein Angriff? Manchmal halte ich mich zurück, manchmal platzt es aus mir heraus. Diese Gratwanderung gehört zu meinem Alltag – und sie macht mir deutlich, dass meine Art zu denken zwar wertvoll sein kann, aber auch Fingerspitzengefühl erfordert, wenn ich in einem Team bestehen will.

Nicht jeder Höchstbegabte ist automatisch zur Führungskraft berufen – und ich selbst habe das lange Zeit auch gar nicht angestrebt. Führung bedeutet, weniger inhaltlich zu arbeiten und stattdessen Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen. Meine Hyperintelligenz zieht mich jedoch immer wieder zu inhaltlicher Tiefe, zum Analysieren, Verstehen und Gestalten. Mit meinem ADHS kommt noch hinzu, dass mir das Einfühlen in andere nicht immer leichtfällt, weil meine Gedanken oft zu schnell weiterziehen. Wenn ich dann zu fordernd bin, zu viele Ideen auf einmal in den Raum werfe oder zu direkt auf Widersprüche hinweise, kann das bei anderen als Überforderung oder soziale Unfähigkeit ankommen. Ein guter Chef muss Entscheidungen treffen und sie klar vertreten – etwas, das mir nicht immer leichtfällt, weil mein Denken ständig neue Möglichkeiten aufzeigt und mich Entscheidungen endlos abwägen lässt.

Und ja, es gibt auch Höchstbegabte, die beruflich scheitern – und diese Gefahr kenne ich selbst nur zu gut. Manche von uns schaffen es bis in Spitzenpositionen oder bauen erfolgreiche Unternehmen auf, während andere an der Reizüberflutung oder an der ständigen inneren Getriebenheit zerbrechen. Auch ich kenne Phasen, in denen mein ADHS mich so überaktiviert, dass ich kaum noch schlafe und das Tempo selbst für mich zur Qual wird. In solchen Zeiten fühlt es sich wie ein inneres Brennen an, eine Hölle im Kopf, die zugleich von einer unglaublichen Energie lebt. Dann brauche ich irgendwann den Rückzug, um wieder zu mir zu kommen und in meinem eigenen Rhythmus zu arbeiten – zu lesen, zu denken, kreativ zu sein. Dieses Hin und Her zwischen Überfliegen und Rückzug gehört zu meinem Leben, und es macht mich zu dem Menschen, der ich bin.

Für Außenstehende wirkt das oft wie ein rastloses Leistungsstreben, doch in Wahrheit ist es meine Art, zur Ruhe zu kommen. Mein Kopf produziert unentwegt Ideen, Konzepte und Verknüpfungen – und nur wenn ich sie in konkrete Formen gieße, entspannt sich etwas in mir. Mein ADHS sorgt dafür, dass dieser Fluss nie versiegt, dass ständig Neues aufploppt und mich antreibt, weitere Felder zu erkunden. So habe ich ein Portfolio aufgebaut, das viele Facetten vereint, weil mir Monotonie schlicht den Atem nimmt.

Doch dieses rastlose Schaffen hat auch seine Schattenseiten. Oft liege ich nachts wach, weil mein Gehirn ein neues Thema durchkaut, bis in die kleinsten Verästelungen hinein. Mein Umfeld erkennt dieses Muster längst: Bücher, Notizen, lose Blätter stapeln sich, wenn mein ADHS im Zusammenspiel mit meiner Hyperintelligenz wieder einmal eine neue Forschungsreise startet. Ich bin dann wie ferngesteuert, Ideen sprudeln ohne Pause, und erst wenn das innere Puzzle rund ist, lässt der Druck nach. Es ist ein ständiges Austarieren zwischen Anregung und Überforderung – zwischen dem beglückenden Gefühl, auf Hochtouren zu denken, und der Erschöpfung, die unweigerlich folgt, wenn ich mich dem Strom nicht entziehen kann.

Dabei wäre es für die Gesellschaft ein Gewinn, wenn wir nicht ständig auf die Bremse treten müssten. Viel Potenzial bleibt ungenutzt, weil Menschen wie ich sich anpassen, tarnen oder sogar absichtlich Fehler machen, nur um nicht als „zu klug“ oder „zu anders“ dazustehen. Ich erinnere mich selbst an Phasen, in denen ich meine Fähigkeiten kleinredete, um nicht anzuecken – ein Verhalten, das mein ADHS noch verstärkte, weil ich ohnehin mit Unsicherheit und Selbstzweifeln kämpfe. Doch jedes Mal, wenn ich mich zurückhalte, frage ich mich, ob die Menschen um mich herum wirklich mich mögen oder nur die Rolle, die ich vorspiele. Dieses ständige Schwanken zwischen Anpassung und dem Drang, mich unverstellt zu zeigen, ist Teil meines Alltags im wilden Absurdistan.

Die intuitive Klarheit meines Denkens, gepaart mit meiner impulsiven Art, macht mich gleichzeitig kreativ und herausfordernd. Mein Kopf arbeitet in Bildern, Verknüpfungen und plötzlichen Aha-Momenten, die für mich selbstverständlich sind, für andere aber manchmal wie Sprünge wirken. So ist meine Höchstbegabung nicht gleichzusetzen mit einem allumfassenden Können, sondern zeigt sich in einzelnen Spitzen, im Erkennen von Mustern und im Drang, die Dinge bis ins Innerste zu verstehen. Zusammen mit meinem ADHS führt das dazu, dass meine Fragen oft direkt ins Herz einer Sache treffen – tief, manchmal schonungslos, aber immer getrieben von dem Wunsch, Klarheit und Sinn zu finden.

Es reicht für mich nicht, einfach nur mehr Aufgaben zu bekommen. Ich brauche Herausforderungen, die komplex sind und die knapp über meinem aktuellen Niveau liegen. Wenn ich in Routinen festhänge oder Aufgaben zu einfach sind, dann entsteht bei mir nicht nur Langeweile, sondern regelrechter Stress – manchmal sogar mit körperlichen Symptomen. Durch mein ADHS spüre ich diesen Druck noch intensiver, weil meine Energie dann ins Leere läuft und sich gegen mich selbst richtet. Viel wichtiger als bloße Quantität ist für mich die Möglichkeit, wirklich zu lernen: auszuprobieren, Fehler zu machen, Frustration auszuhalten und eigene Strategien zu entwickeln, wie ich mit Überforderung umgehe. Gerade das habe ich mir mühsam erarbeiten müssen.

Diese Diskrepanz zwischen Leichtigkeit und Überforderung hat mich mehr als einmal in Krisen gestürzt. Mit meinem ADHS verschärft sich das noch, weil ich Schwierigkeiten habe, bei einer Aufgabe zu bleiben, wenn sie mich nicht genug fesselt – gleichzeitig kann ich mich aber obsessiv in Themen verbeißen, die mich faszinieren. Das ist ein Widerspruch, mit dem ich täglich leben muss: entweder unterfordert zu sein oder mich zu überfordern. Ich weiß, dass es vielen ähnlich geht, die wie ich in dieser besonderen Mischung aus Hyperintelligenz und ADHS durchs Leben gehen. Und ich sehe, wie entscheidend es ist, dass Schulen und Hochschulen uns nicht nur mehr Stoff geben, sondern uns beibringen, wie man mit dieser inneren Spannung konstruktiv umgehen kann.

Es gibt aber auch Wege, wie ich mich selbst fordern kann. Als ich zum Beispiel Englisch gelernt habe (neben Deutsch, Latein und Alt-Griechisch die einzige Sprache, die mich jemals interessiert hat), übersetzte ich im Kopf simultan alles, was ich gehört habe, ins Englische. Wozu? So erhöhe ich die Komplexität, bleibe beim Thema und verhindere, dass meine Gedanken abschweifen. Auch höre ich Vorträge oder Dokumentationen oft in doppelter Geschwindigkeit (Chat-Audios immer, da ärgert mich oft, dass es nicht noch schneller geht) – mein Gehirn ist dann angenehm ausgelastet, während mein ADHS mir gleichzeitig das Gefühl gibt, in einem guten Flow zu sein. In meiner Freizeit suche ich mir ganz bewusst Tätigkeiten, die mich geistig reizen: Programmieren, Fachliteratur, der Austausch mit anderen „Nerds“ und inzwischen natürlich KI-Entwicklung, die große Leidenschaft meiner verbleibenden Tage. Es ist eine Art Selbstversorgung, ein Ventil, um die permanente innere Unruhe in konstruktive Bahnen zu lenken.

Im Beruf wird diese Diskrepanz noch deutlicher spürbar. Oft reagiere ich ungeduldig, wenn Prozesse zu langsam laufen, wenn Gespräche an der Oberfläche bleiben oder wenn Entscheidungen auf schwachen Argumenten beruhen. Dann springt mein ADHS an wie ein Verstärker, der mir den Impuls gibt, sofort einzuschreiten, zu hinterfragen oder neue Ideen einzubringen. Das kann für andere anstrengend sein, manchmal sogar bedrohlich wirken, weil ich ständig eine neue Perspektive einbringe oder einen logischen Bruch offenlege. Für mich ist das selbstverständlich – für andere kann es klingen, als wolle ich alles infrage stellen. Genau in diesen Momenten merke ich, wie sehr ich lernen musste, Fingerspitzengefühl zu entwickeln, um meine Impulse nicht wie eine Lawine über mein Umfeld rollen zu lassen.

Das Arbeiten in einem Unternehmen kann für mich durchaus funktionieren – vorausgesetzt, die Vielfalt und die besonderen Fähigkeiten, die ich mitbringe, werden nicht als Störung, sondern als Ressource gesehen. Meine unkonventionelle Art zu denken, mein Drang, Dinge neu zu verknüpfen und kreative Lösungen zu finden, kann für Teams ein großer Gewinn sein. Gleichzeitig weiß ich, dass es anstrengend sein kann, wenn ich mit meinem ADHS und meiner Hyperintelligenz immer wieder neue Ideen einwerfe oder auf Widersprüche hinweise. Ich spüre oft sehr genau, wann eine Bemerkung notwendig ist – doch das Abwägen, ob es für die anderen gerade „zu viel“ wird, ist für mich eine tägliche Übung. Ich habe lernen müssen, dass ich nicht jeden logischen Bruch sofort aufdecken muss, sondern nur die, die wirklich relevant sind.

Ob es für mich besser wäre, keine Führungskraft zu bleiben, ist keine einfache Frage. Einerseits reizt mich die Vorstellung, mehr Raum für inhaltliches Arbeiten und kreatives Austesten neuer Ideen zu haben. Andererseits weiß ich, dass ich ohne Führungsverantwortung vielleicht weniger Einfluss auf die Gestaltung von Strukturen und Abläufen hätte. Gerade mit meinem ADHS merke ich, dass es mir nicht immer leichtfällt, mich langfristig auf Managementaufgaben zu konzentrieren, weil mein Kopf ständig neue Ideen produziert und Entscheidungen für mich selten eindeutig sind. Ich sehe so viele Möglichkeiten, dass es manchmal eher lähmend wirkt. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass Führung zwar die Chance bietet, Visionen umzusetzen, aber auch viel Verantwortung für andere Menschen bedeutet – etwas, das für jemanden wie mich besonders herausfordernd sein kann.

Oh ja, auch das Scheitern gehört zu unserem Weg. Ich kenne viele, die wie ich hoch- oder höchstbegabt sind und dennoch im Beruf gestrauchelt sind. Manche von uns schaffen es, Unternehmen aufzubauen oder in Spitzenpositionen zu gelangen, andere hingegen verlieren sich an der Reizüberflutung, brechen Ausbildungen ab oder können nur in Teilzeit arbeiten, weil alles andere zu viel wird. Ich selbst kenne diese Spannung nur zu gut: Wenn mein ADHS mich in Phasen katapultiert, in denen ich vor Energie beinahe explodiere, arbeite ich Tag und Nacht, bin hyperfokussiert, voller Ideen – aber gleichzeitig auch am Rand der Erschöpfung. Es ist ein Zustand, den ich manchmal als Hölle empfinde: wenig Schlaf, rastlose Gedanken, und trotzdem das Gefühl, immer noch mehr leisten zu müssen.

In anderen Momenten wiederum ziehe ich mich zurück, brauche Abstand, brauche Zeit für mich, um zu lesen, zu lernen oder kreativ zu sein – in meinem eigenen Rhythmus. Diese Extreme zwischen Überaktivierung und Rückzug sind Teil meines Lebens. Sie passen nicht in klassische Karrieren, die auf Kontinuität, Anpassung und lineare Entwicklung setzen. Für viele wirkt das wie Brüche, für mich ist es der einzige Weg, mit meiner doppelten Neurodiversität im wilden Absurdistan zurechtzukommen.

Ich habe meinen Weg gefunden, indem ich mir ein Feld gesucht habe, das mir genug Weite lässt: die Statistik. Dort kann ich in die Tiefe gehen, aber auch ständig Neues ausprobieren. Ich habe akademisch gearbeitet, Organisationen beraten, Bücher geschrieben, Seminare entwickelt, Projekte ins Leben gerufen und Unternehmen gegründet. Für andere sieht das vielleicht so aus, als sei ich ununterbrochen leistungsgetrieben. In Wahrheit ist es eher meine Art, mit der permanenten Aktivität meines Gehirns umzugehen. Mein ADHS sorgt dafür, dass ich immer wieder neue Anstöße brauche – und meine Hyperintelligenz liefert mir fortlaufend Ideen, die ich dann in unterschiedliche Bahnen lenke. Genau dieses Zusammenspiel hält mich lebendig und schafft für mich eine Form von Ruhe, weil mein innerer Strom nicht ins Leere läuft, sondern Gestalt annimmt.

Natürlich hat das auch seine Tücken. Wenn mich ein neues Thema packt, kann es passieren, dass ich nachts wachliege, weil mein Kopf einfach nicht aufhört, Querverbindungen zu ziehen und Details zu sortieren. Mein ADHS verstärkt dieses Gefühl, als würde ein Motor ohne Pause weiterlaufen. Dann türmen sich überall Notizen, Bücher und Gedankenfetzen, die ich kaum bändigen kann. Mein Umfeld kennt diesen Zustand schon und nimmt ihn mit einem gewissen Schmunzeln hin, doch für mich ist es oft eine Gratwanderung: zwischen inspirierender Anregung und lähmender Überforderung. Es bleibt eine lebenslange Aufgabe, in diesem Gehirnfasching den Punkt zu finden, an dem die innere Unruhe in schöpferische Kraft umschlägt, ohne dass sie mich vollständig verzehrt.

Ich bin dankbar, dass ich über meine Unterschiede sprechen kann – nicht, um mich abzugrenzen, sondern um ein differenzierteres Verständnis zu ermöglichen. Denn trotz aller Besonderheiten bin ich im Kern genauso ein Mensch wie jeder andere, mit denselben grundlegenden Gefühlen und Bedürfnissen. Meine Hyperintelligenz und mein ADHS machen mich nicht „mehr wert“, sie machen mich einfach nur anders. Und auch ich mache Fehler, stolpere, verstehe längst nicht alles. Es gibt viele Situationen, in denen nicht mein Denken entscheidend ist, sondern ganz andere Fähigkeiten – Empathie, Geduld, praktische Umsicht. Gerade durch mein ADHS habe ich gelernt, wie wichtig es ist, mich nicht allein über meine kognitiven Leistungen zu definieren, sondern meine ganze Persönlichkeit in den Blick zu nehmen.

Und doch bleibt dieser innere Widerspruch bestehen: Einerseits spüre ich die Distanz, die entsteht, wenn ich zu sehr in meine Welt eintauche oder meine Gedanken zu weit voraus sind. Andererseits weiß ich, dass ich durch meine besondere Art auch etwas beitragen kann – sei es durch neue Ideen, durch ungewöhnliche Sichtweisen oder durch die Fähigkeit, verborgene Zusammenhänge zu erkennen. Für mich bedeutet es, immer wieder zwischen diesen Polen zu navigieren: zwischen Nähe und Distanz, zwischen Anpassung und Authentizität. In diesem Spannungsfeld lebe ich – aufmerksamkeitsdefizitär, hyperaktiv, hypersensibel und hyperintelligent – meinen Weg durch das wilde Absurdistan, das unsere Welt nun einmal vom logischen Standpunkt betrachtet ist.

In den Schulen sehe ich deutlich, wie schnell Hoch- und Höchstbegabte – und auch Kinder mit ADHS – aus dem Blick geraten. Nach der Corona-Zeit hat sich das noch verschärft: Viele Lehrkräfte sind überlastet, und der Fokus liegt verständlicherweise oft auf denjenigen, die die Mindestziele nicht erreichen. Doch wenn man uns Hochbegabte und Neurodiverse dabei zurückstellt, entsteht ein stilles Defizit. Unterforderung kann genauso schmerzhaft sein wie Überforderung – bei mir äußert sich das in nervöser Energie, innerer Unruhe und manchmal sogar körperlichen Symptomen. Deshalb halte ich es für so wichtig, dass Schulen nicht nur schwächere Schüler unterstützen, sondern auch diejenigen fördern, die mehr Input brauchen. Es geht nicht darum, Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern alle Kinder ernst zu nehmen und ihnen zu geben, was sie für ihre Entwicklung benötigen.

Ich zum Beispiel habe die zweite Klasse übersprungen, weil in der ersten Klasse die Leistungen jedes Nebensitzers von mir schlechter geworden sind, während ich dennoch alles gelernt habe. In der dritten Klasse war ich dann direkt wieder der Beste, und in der neunten Klasse sollte ich noch einmal eine Klasse überspringen, was ich abgelehnt habe, weil ich ohnehin schon der Jüngste war und dazu auch noch jung aussah, was mir in der sozialen Interaktion große Probleme bereitete. Um mich dann angemessen zu fördern, wurde ich in verschiedenen Fächern alleine mit Aufgaben in ein eigenes Zimmer gesetzt. Genau das will und werde ich meiner vermutlich ebenfalls höchstbegabten Tochter ersparen.

Ich habe immer wieder erlebt, wie sehr es das weitere Leben prägen kann, wenn man in jungen Jahren keine Lernstrategien entwickelt. Manche von uns rauschen durchs Abitur, ohne je wirklich lernen zu müssen – manche mit Bestnoten, andere eher mittelmäßig. Doch spätestens im Studium oder im Beruf stößt man dann auf Grenzen: Plötzlich reicht das schnelle Erfassen nicht mehr, und es fehlt die Erfahrung, wie man mit Frust, Komplexität oder dem eigenen Aufschiebeverhalten umgeht. Bei mir hat mein ADHS diesen Effekt noch verstärkt – ich konnte mich zwar extrem fokussieren, wenn mich etwas packte, aber sobald es langweilig oder monoton wurde, war die Konzentration wie weggefegt. Das hat mich mehr als einmal ins Straucheln gebracht und in Identitätskrisen geführt, aus denen ich mich mühsam wieder herausarbeiten musste.

Ich habe gelernt, dass ich selbst für diese Anregung sorgen muss, wenn sie im Alltag fehlt. Denn sonst frisst mich die innere Unruhe auf, dieses ständige Suchen nach Reizen, das mein ADHS noch verstärkt. Gleichzeitig muss ich darauf achten, mich nicht völlig zu überlasten, weil meine Hyperfokussierung mich bis an die Grenzen treiben kann. Es ist ein ständiges Austarieren: Wie halte ich die Balance zwischen dem Bedürfnis nach geistiger Nahrung und der Notwendigkeit, mir Pausen zu gönnen? Manchmal gelingt es, manchmal auch nicht – und genau in diesem Spannungsfeld zeigt sich, wie herausfordernd und zugleich faszinierend mein Leben ist.

Viele Menschen fragen mich, ob meine Ungeduld im Beruf nicht zu Konflikten führt – schließlich denke ich oft schneller, verknüpfe komplexer und reagiere impulsiver als die meisten. Und ja, das kann durchaus anstrengend sein, sowohl für mich selbst als auch für andere. Mit meinem ADHS fällt es mir schwer, geduldig zuzusehen, wenn Prozesse sich endlos ziehen oder wenn Entscheidungen auf wackeligen Argumenten beruhen. Dann brennt es in mir, sofort einzuschreiten, Dinge zu hinterfragen oder Alternativen vorzuschlagen. Manche empfinden das als störend oder als Angriff, obwohl es in mir nur der Drang ist, die Sache stimmig zu machen. Deshalb habe ich irgendwann verstanden: Wenn ich langfristig zufrieden sein will, brauche ich ein Umfeld, das Vielfalt schätzt, das unkonventionelles Denken nicht als Gefahr, sondern als Ressource begreift – ein Team oder eine Tätigkeit, die sich ständig weiterentwickelt und mich fordert.

Darum hat es für mich immer nahegelegen, nicht nur einen einzigen Beruf auszuüben. Viele Höchstbegabte sind selbstständig oder haben gleich mehrere berufliche Rollen, und ich selbst kenne dieses Muster sehr gut. Mit meiner Hyperintelligenz könnte ich mich stundenlang in ein Thema vertiefen, doch mein ADHS sorgt dafür, dass ich auch Abwechslung brauche. Deshalb habe ich unterschiedliche Tätigkeitsfelder: Forschung, Beratung, Kreatives – oft gleichzeitig. Für manche wirkt das wie Getriebenheit oder ein unstillbarer Ehrgeiz, dabei ist es für mich eher eine Notwendigkeit, um nicht innerlich zu verkümmern. Mein Weg im Beruf ist daher kein geradliniger, sondern eher ein Mosaik aus Projekten, Ideen und Aufbrüchen – so bunt und unruhig wie das wilde Absurdistan, in dem ich mich bewege.

Ich weiß, dass es den Anschein haben mag, als würde ich trotz meiner besonderen Art mühelos zurechtkommen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Was nach außen hin wie Vielfalt und Produktivität wirkt, ist für mich vor allem ein Ventil. Mein Kopf hört nicht auf zu arbeiten, mein ADHS treibt mich unablässig an, immer neue Themen zu erschließen. Indem ich mir ein Feld gesucht habe, das all diese Facetten zulässt, kann ich diese Energie kanalisieren. So habe ich ein buntes Portfolio aufgebaut, das mich fordert und gleichzeitig nährt, und das mich davor bewahrt, in der Eintönigkeit zu versinken.

Doch auch mit diesem breiten Tätigkeitsfeld gibt es Momente, in denen ich die Grenzen spüre. Wenn mich ein Thema packt, verliere ich mich darin völlig – mein ADHS verstärkt diesen Hyperfokus so sehr, dass ich manchmal Nächte durchlese, schreibe oder recherchiere, ohne an Schlaf oder Pausen zu denken. Dann türmen sich Bücher, Notizen und Ideen wie ein chaotisches Mosaik um mich herum. Für mich fühlt es sich in solchen Phasen an, als würde mein Kopf permanent auf Hochtouren laufen, unaufhaltsam, bis irgendwann ein inneres „Klick“ den Kreis schließt. Erst dann kehrt Ruhe ein. Doch der Weg dahin bleibt ein Balanceakt – zwischen schöpferischem Rausch und völliger Erschöpfung, zwischen dem Glück, Teil dieses wilden Absurdistans zu sein, und der Aufgabe, darin nicht unterzugehen.

Ich bin mir bewusst, dass wir Höchstbegabten nicht in einer eigenen Welt über den anderen schweben, sondern mitten unter ihnen leben – und dass wir im Kern alle von denselben Gefühlen und Bedürfnissen angetrieben werden. Deshalb ist es mir wichtig, die Unterschiede, die mich ausmachen, klar zu benennen, ohne dabei Mauern zu bauen. Ich spreche darüber, um Verständnis zu schaffen, nicht um Distanz zu erzeugen. Denn so sehr meine Hyperintelligenz und mein ADHS mich prägen, so sehr bin ich dennoch verletzlich, fehlbar, menschlich. Ich verstehe längst nicht alles, ich mache Fehler, stolpere, verliere mich. Und oft sind es gar nicht meine kognitiven Fähigkeiten, die im Alltag entscheidend sind, sondern ganz andere Qualitäten: die Fähigkeit, Nähe zuzulassen, Vertrauen aufzubauen, empathisch zu sein.

Gerade durch mein ADHS habe ich gelernt, wie wertvoll diese anderen Seiten sind. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass alles im Leben an Intelligenz hängt. Manchmal sind es Geduld, Gelassenheit oder zwischenmenschliche Wärme, die wirklich tragen. Ich musste für mich erkennen, dass mein Wert nicht allein aus meiner geistigen Geschwindigkeit oder meinem Drang nach Erkenntnis entsteht. Er zeigt sich auch darin, wie ich mit meinen inneren Stürmen umgehe, wie ich Beziehungen gestalte und wie ich trotz des Chaos meinen Weg finde. Am Ende sind wir alle Menschen, mit unseren Sehnsüchten und Verletzlichkeiten – und für mich bedeutet es, mit meiner doppelten Neurodiversität meinen Platz im wilden Absurdistan immer wieder neu zu behaupten.

Auch wenn es manchmal schwer ist, all das in Worte zu fassen, empfinde ich meine Mischung aus Hyperintelligenz und ADHS letztlich als einen besonderen Reichtum. Sie zwingt mich, immer wieder neue Wege zu suchen, mich selbst besser zu verstehen und die Welt differenzierter zu betrachten. Ich weiß, dass ich damit nicht allein bin – es gibt viele wie mich, die zwischen Überforderung und Unterforderung, zwischen Anpassung und Authentizität pendeln. Was uns verbindet, ist nicht die Zahl eines IQ-Tests, sondern die Erfahrung, dass unser Denken und Fühlen auf andere Weise verdrahtet ist. Für mich bedeutet das, dass ich mein Leben nicht an äußeren Normen ausrichten kann, sondern meinen ganz eigenen Takt finden muss. Und so gehe ich, aufmerksamkeitsdefizitär, hyperaktiv, hypersensibel und hyperintelligent, meinen Weg durch das wilde Absurdistan – suchend, stolpernd, manchmal erschöpft, aber immer mit offenen Augen, wachem Geist und einer unstillbaren Neugier auf das Leben.