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Warum junge Männer besonders empfänglich sind für Rechtspopulismus: Eine Analyse des Gender-Gaps

„Ein wesentliches Element dieser internationalen Allianz wurde durch Kirk selbst verkörpert. Laut einer aktuellen Umfrage von NBC News befürworten 47 Prozent der Männer der Generation Z Trumps Führungsstil, gegenüber nur 26 Prozent der Frauen. Dies ist die größte geschlechtsspezifische Diskrepanz aller Altersgruppen. Populistische nationalistische Parteien in Deutschland, Frankreich und Spanien erfreuen sich alle einer hohen Unterstützung durch junge Männer. Dies gilt insbesondere für Spanien, wo die populistische nationalistische Partei Vox bei Männern unter 25 Jahren die erste Wahl ist.“

Ein globales Phänomen: Junge Männer und Rechtspopulismus

Die obigen Zahlen zeichnen ein klares Bild: Junge weiße Männer unterstützen rechtspopulistische Politiker und Parteien deutlich häufiger als ihre weiblichen Altersgenossinnen. Dieses Muster zeigt sich sowohl in den USA als auch in Europa. So ergab eine NBC-News-Umfrage unter jungen Erwachsenen, dass beinahe die Hälfte der männlichen Gen-Z-Wähler Donald Trump positiv bewerten, während nur etwa ein Viertel der gleichaltrigen Frauen dies tut [NBC News / SurveyMonkey Umfrage, 2023/25]. Kein anderer Altersgruppe weist einen derart großen „Gender Gap“ auf. Ähnlich alarmierende Trends sehen wir in Europa: Einer aktuellen Studie zufolge erreichte der Anteil junger Männer (Generation Z und Millennials), die rechts-populistische Parteien unterstützen, im Jahr 2024 über 21 %, verglichen mit nur 14 % junger Frauen [Journal of European Public Policy, 2025]. Diese geschlechtsspezifische Kluft unter den jungen Wählern gilt als neues, generationenspezifisches Phänomen – und sie könnte erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft westlicher Demokratien haben.

Auch länderspezifische Daten untermauern diesen Trend. In Spanien etwa hat sich die rechtspopulistische Partei Vox gezielt eine junge Anhängerschaft aufgebaut – mit Erfolg. Jüngste Umfragen zeigen, dass Vox mittlerweile die beliebteste Partei bei jungen Wählern ist; unter den 18–24-Jährigen liegt Vox mit rund 27 % auf Platz 1 [Wahlforschung Spanien (El País)]. Besonders junge Männer treiben diese Entwicklung: Vox ist Umfragen zufolge bei spanischen Männern unter 25 Jahren die erste Wahl – weit vor den etablierten Parteien. In Deutschland bietet sich ein ähnliches Bild. Bei der Europawahl 2024 sowie den Landtagswahlen in Ostdeutschland erzielte die AfD unter jungen Männern Rekordwerte. In Thüringen etwa wählten 38 % der Männer zwischen 18 und 24 Jahren die AfD, verglichen mit 27 % der Frauen in derselben Altersgruppe [DIW Berlin; Wahlforschung Deutschland]. Keine andere Alterskohorte zeigt eine so starke Geschlechterdifferenz im Wahlverhalten wie die der unter 25-Jährigen. Diese Beispiele verdeutlichen: Der Gender-Gap im Rechtspopulismus ist real und weltweit zu beobachten.

Ursachen des Gender-Gaps im Rechtspopulismus

Was erklärt nun diese auffällige Kluft zwischen jungen Männern und Frauen? Ein ganzes Bündel von Faktoren trägt dazu bei. Sozioökonomische Veränderungen spielen eine wichtige Rolle. Viele westliche Gesellschaften erleben einen Strukturwandel, in dem traditionelle Industriezweige schrumpfen und neue Anforderungen an Bildung und Flexibilität entstehen. Oft fühlen sich junge Männer dabei als Verlierer dieser Modernisierung. Tatsächlich haben junge Frauen heutzutage im Schnitt höhere Bildungsabschlüsse und bessere Schulnoten, was ihre beruflichen Chancen verbessert [Feminist Majority Foundation; Pew Research Center]. In den USA etwa besitzen 47 % der Frauen im Alter von 25–34 einen Bachelor-Abschluss, aber nur 37 % der Männer [Pew Research Center]. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in Europa. Dieser Vorsprung der Frauen kann bei manchen jungen Männern Verunsicherung und Zukunftsängste auslösen. Sie erleben die Fortschritte der Frauen mitunter als Nullsummenspiel, das ihre eigenen Aussichten schmälert. Ökonomische Abstiegsängste – etwa aufgrund von Arbeitsmarktwandel, unsicheren Jobs oder regionaler Perspektivlosigkeit – treffen junge Männer oft hart und können in Unzufriedenheit und Protestwahl münden [Journal of European Public Policy, 2025; Deutschland DIW Berlin]. Autoritarismusforschung und Deprivationstheorien weisen darauf hin, dass gefühlte Benachteiligung und Angst vor sozialem Abstieg die Anfälligkeit für antidemokratische, populistische Ansichten erhöhen. Kurz: Viele junge Männer suchen nach einem Ventil für ihren Frust über wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen – und finden es nicht selten bei Rechtspopulisten, die Sündenböcke anbieten und einen Wandel zurück zu „alten Zeiten“ versprechen.

Hinzu kommen kulturelle und psychologische Faktoren. Die sogenannte Cultural Backlash-Theorie (Norris/Inglehart) beschreibt den Aufstieg des Populismus als Gegenreaktion auf progressive gesellschaftliche Werte. Während sich viele junge Frauen mit liberalen Ideen wie Gleichberechtigung, Diversität und Wokeness identifizieren, fühlen sich manche junge Männer von diesen Trends eher entfremdet. Studien deuten darauf hin, dass Wertewandel und neue Geschlechternormen unterschiedliche Emotionen auslösen: Sie empowern viele junge Frauen, wecken aber bei einigen jungen Männern Verunsicherung und das Gefühl, dass ihnen ihre traditionelle Rolle abhandenkommt [Journal of European Public Policy, 2025]. In westlichen Demokratien divergieren die politischen Selbstverortungen der Geschlechter immer stärker: Junge Frauen tendieren häufiger zum linken, progressiven Spektrum, während junge Männer überproportional im konservativ-rechtspopulistischen Lager landen [Deutschland DIW Berlin; Journal of European Public Policy]. Zudem zeigen Persönlichkeitsstudien, dass Männer im Durchschnitt höhere Werte in sozialer Dominanzorientierung und Autoritätsgläubigkeit aufweisen – Eigenschaften, die mit einer Anfälligkeit für rechtspopulistische und autoritäre Botschaften einhergehen. Kurz gesagt, der Gender-Gap im Rechtspopulismus speist sich aus dem Zusammenwirken von wirtschaftlichen Umbrüchen, gefühltem Statusverlust und einem kulturellen Gegenstoß gegen liberale Werte.

Sehnsucht nach traditionellen Rollen und Ordnung

Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Sehnsucht nach stabilen, traditionellen Rollenbildern, die rechtspopulistische Bewegungen geschickt bedienen. Viele dieser Bewegungen propagieren ein Gesellschaftsbild, in dem „Männer wieder Männer sein dürfen“ – stark, beschützend, dominierend – und klassische Männlichkeitsideale wertgeschätzt werden. In einer Welt im Wandel übt die Verheißung klarer Rollen und alter Hierarchien auf manche jungen Männer eine erhebliche Anziehungskraft aus. Rechtspopulisten wie Donald Trump stilisieren sich bewusst als starke Macher mit scheinbar einfachen Lösungen und versprechen die Wiederherstellung von „Law and Order“ – ein Versprechen von Ordnung und Klarheit, das insbesondere verunsicherten jungen Männern Halt geben kann. In Europa verfolgen Parteien wie die spanische Vox oder die deutsche AfD eine explizit antifeministische Agenda. Sie wettern gegen Gleichstellungspolitik, „Gender-Ideologie“ und progressive Familienbilder. Vox-Politiker haben die Anliegen der Frauenbewegung – von Gleichberechtigung bis Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – sogar als bloßen „Mythos“ abgetan [Süddeutsche Zeitung]. Solche Aussagen signalisieren traditionellen jungen Männern: Eure Vorstellung von „richtigen“ Männern und Frauen wird hier verteidigt.

Die Attraktivität traditioneller Rollenbilder hängt eng mit Identität zusammen. Junge Männer, die sich in der modernen, von Gleichberechtigung geprägten Gesellschaft orientierungslos oder gar abgewertet fühlen, suchen nach einem positiven Selbstbild als Mann. Rechtspopulistische Akteure bieten dieses an – sei es explizit durch das Beschwören des „stolzen Patrioten und Familienernährers“ oder implizit durch eine Politik, die klassische Familienmodelle fördert (Frauen zurück an den Herd, Männer als Beschützer und Verdiener). Diese Rückwärtsgewandtheit wirkt wie ein Versprechen von Stabilität in unsicheren Zeiten. Autoritäre Einstellungsmuster – der Wunsch nach klaren Autoritäten, strikten Normen und Homogenität – spielen hier mit hinein. In der Forschung wird das als „schutzbietende Männlichkeit“ (protective masculinity) diskutiert: Das Bedürfnis mancher Männer, ihre gesellschaftliche Stellung durch Rückgriff auf traditionelle Machtpositionen zu sichern. Rechtspopulisten instrumentalisieren dieses Bedürfnis, indem sie ein Gefühl vermitteln, dass Männlichkeit wieder wertgeschätzt und verteidigt werden muss – gegen angeblich überzogene „Woke“-Kultur und Feminismus. So wird die Sehnsucht nach einer klaren männlichen Rolle politisch kanalisiert.

Anti-Woke-Influencer und digitale Männlichkeitsbilder

Verstärkt wird diese Entwicklung durch die Dynamik der sozialen Medien und neuer Männlichkeitsbilder im Internet. Plattformen wie YouTube, TikTok oder einschlägige Foren haben eine Generation von jungen Männern hervorgebracht, die sich online über Politik und Gesellschaft informieren – oft abseits klassischer Medien. In diesen digitalen Räumen floriert eine Subkultur von sogenannten „Manfluencern“, also männlichen Influencern, die ein hypermaskulines, anti-„wokes“ Weltbild propagieren [Süddeutsche Zeitung]. Sie stilisieren sich als Rebellen gegen politische Korrektheit und feministische „Umerziehung“ und predigen die Rückkehr zu vermeintlich natürlichen Geschlechterrollen. Ob es ein provokanter YouTube-Kommentator oder ein selbsternannter Männer-Coach auf Instagram ist – ihre Botschaften („Sei ein Alphamann“, „Lass dir von der Woke Culture nichts vorschreiben“, „Frauen wollen dominante Männer“) fallen bei vielen jungen Männern auf fruchtbaren Boden.

Die Algorithmen der sozialen Netzwerke tragen ihren Teil dazu bei, diese Botschaften zu verbreiten. Wer einmal Inhalte konsumiert, die anti-feministisch oder rechtslastig sind, dem werden rasch noch extremere Videos und Posts vorgeschlagen. So entsteht ein Echokammer-Effekt: Junge Männer bewegen sich in Online-Communities, in denen Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Fremdenangst teils normalisiert und bejubelt werden. Dieses Online-Milieu überschneidet sich ideologisch stark mit dem Rechtspopulismus. Figuren wie Andrew Tate – ein prominenter Influencer, der aggressiven Chauvinismus und Verachtung für „schwache“ (oder „woke“) Werte predigt – sind globale Vorbilder einer neuen reaktionären Männlichkeit. Solche Vorbilder verherrlichen einen rücksichts- und kompromisslosen Männertyp und liefern jungen Männern Feindbilder frei Haus: Frauen, die Gleichberechtigung fordern, würden „Männer schwachreden“; Migranten und Minderheiten würden „die Ordnung stören“; linke Social Justice Warriors würden „die Freiheit unterdrücken“. Diese Narrative finden nahtlos Eingang in die Programme rechtspopulistischer Parteien, die etwa gegen „Gender-Wahnsinn“ oder „Political Correctness“ wettern. Die sozialen Medien fungieren dabei als Beschleuniger: Rechtspopulistische Politiker und Bewegungen nutzen TikTok, Instagram & Co. gezielt, um mit zugespitzten Botschaften und vereinfachten Memes junge Menschen anzusprechen [Süddeutsche Zeitung]. Die Folge ist eine regelrechte digitale Rekrutierung junger Männer für die populistische Sache – oft unter dem Deckmantel von „Lifestyle“, „Humor“ oder „Tabubruch“, der die eigentliche Ideologie kaschiert.

Folgen für Demokratie und Gleichstellung

Die wachsende Unterstützung des Rechtspopulismus unter jungen Männern bleibt nicht ohne Konsequenzen – weder für den demokratischen Diskurs noch für die gesellschaftliche Gleichstellung. Zum einen droht eine verstärkte Polarisierung der Geschlechter in politischen Fragen. Wenn junge Frauen mehrheitlich progressive Werte vertreten und junge Männer dagegen überproportional nationalistisch-populistische Ansichten haben, entsteht eine tiefe kulturelle Bruchlinie. Politische Diskussionen verlagern sich immer stärker in geschlechterhomogene Räume: Hier die feministischen Jugendbewegungen, dort die maskulinen anti-woke-Communities. Ein konstruktiver Dialog wird schwieriger, da die beiden Seiten einander zunehmend als Gegner wahrnehmen. Bereits jetzt zeigen Umfragen, dass politische Haltung für viele junge Menschen zu einem entscheidenden Kriterium in Freundschaften und Partnerschaften wird – der „Gender War“ ist keine dystopische Fantasie, sondern in Ansätzen schon Realität.

Zum anderen gefährdet dieser Trend die Fortschritte der Gleichberechtigung. Rechtspopulistische Parteien mobilisieren gezielt gegen feministische Errungenschaften und Minderheitenrechte. Gelingt es ihnen, durch die Unterstützung junger Männer an Einfluss zu gewinnen, könnten zentrale Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen zur Disposition gestellt werden. Man sieht dies bereits in Ländern, in denen solche Kräfte mitregieren: In Spanien etwa bangte die Frauenbewegung, dass ein starkes Abschneiden von Vox die strengen Gesetze gegen geschlechtsspezifische Gewalt und die Gleichstellungspolitik zurückwerfen könnte [DER SPIEGEL]. Ähnliches gilt in Deutschland: Sollte die AfD – getragen vom Zuspruch junger (männlicher) Wähler – an politischem Gewicht zulegen, käme eine Partei an die Macht, die sich offen gegen Gender-Mainstreaming, Diversität und eine liberale Zivilgesellschaft stellt. Die demokratische Diskussionskultur leidet ebenfalls, wenn eine lautstarke Gruppe junger Männer zunehmend auf konfrontative, anti-pluralistische Rhetorik setzt. Rechtspopulisten fördern ein Klima der Vereinfachung und der Feindseligkeit gegenüber Medien, Wissenschaft und politischen Gegnern. Das Vertrauen in demokratische Institutionen kann erodieren, wenn Verschwörungsmythen und Hassbotschaften – oft in den erwähnten Online-Netzwerken geboren – in den Mainstream schwappen.

Langfristig warnen Forscher*innen davor, dass diese Entwicklung zu einem anhaltenden Rechtsruck führen könnte. Junge Generationen prägen mit ihren heutigen Einstellungen die Zukunft. Wenn ein erheblicher Teil junger Männer sich dauerhaft in einem anti-demokratischen, anti-egalitären Weltbild einrichtet, droht eine schleichende Aushöhlung liberaler Demokratien. Die erwähnte Studie aus Europa prognostiziert, dass der anhaltende Zulauf junger Männer zum Rechtspopulismus das Risiko demokratischen Backslidings erhöht [Journal of European Public Policy, 2025]. Denn politische Prägungen, die in der Jugend entstehen, wirken oft lebenslang fort. Gleichzeitig wächst eine Generation junger Frauen heran, die besser ausgebildet, emanzipierter und politisch aktivistischer ist als alle zuvor. Das Potential für Konflikte – aber auch für gesellschaftlichen Wandel – ist enorm.

Fazit

Der geschlechtsspezifische Unterschied in der Unterstützung rechtspopulistischer Bewegungen unter jungen Menschen ist ein vielschichtiges Phänomen. Ökonomische Unsicherheit, kultureller Backlash, identitäre Sehnsüchte und die Macht der sozialen Medien schaffen zusammen eine gefährliche Mischung, die vor allem junge Männer in die Arme des Populismus treibt. Aus demokratietheoretischer Sicht ist diese Entwicklung besorgniserregend. Sie verlangt nach Antworten: Bildung und Aufklärung, die Jungen wie Mädchen für die Mechanismen der Online-Radikalisierung sensibilisieren. Wirtschaftliche und soziale Politik, die verhindert, dass sich junge Männer als Modernisierungsverlierer fühlen. Und Dialogformate, die Brücken bauen zwischen den Geschlechtern, bevor sich ein Graben manifestiert, der unsere Gesellschaft teilt. Nur auf einer faktenbasierten Grundlage – jenseits von Polemik und Panikmache – lässt sich dieses Phänomen verstehen und angehen. Denn eines ist klar: Die Männlichkeitskrise im Schatten des Rechtspopulismus betrifft uns alle – und die Antworten darauf werden mitentscheiden, wie demokratisch, gleichberechtigt und geeint unsere Zukunft sein wird.