Ein besonderer Hochzeitstag
Heute feiern meine Frau und ich unseren elften Hochzeitstag. Elf Jahre Ehe, die auf eine insgesamt 19 Jahre währende Beziehung zurückblicken lassen. Ein gemeinsamer Weg voller Höhen und Tiefen, voller Alltag und Außergewöhnlichem – und mit einer Liebe, die uns beide trägt.
Die Botschaft meines Freundes
Anlässlich dieses Tages schrieb mir ein indischer Freund eine Nachricht, die mich berührte und zugleich neugierig machte. Er gratulierte uns zu unserer Ehe und fügte hinzu:
„In Indien sagt man, die Ehe ist nicht nur für ein Leben gedacht, sondern für sieben Geburten. Das bedeutet, dass ihr auch in den nächsten sechs Leben zusammen sein werdet.“
Zunächst war ich überrascht. Sieben Leben? Ich fragte mich, ob das nur eine poetische Übertreibung ist oder ob dahinter eine tiefere spirituelle Bedeutung steckt.
Die sieben Leben – Symbol für unendliche Liebe
Mein Freund erklärte mir, dass in Indien und besonders im Hinduismus die Ehe als eine karmische Bindung verstanden wird. Zwei Seelen, die durch Liebe und gemeinsames Schicksal eng verbunden sind, sollen nicht nur in diesem Leben zusammenfinden, sondern immer wieder – über sieben Leben hinweg.
Die Zahl sieben ist dabei kein Zufall. Sie hat eine tiefe symbolische Bedeutung in der indischen Kultur: Sie steht für Vollständigkeit und für heilige Rituale, wie die sieben Schritte (Saptapadi) um das Feuer während der Hochzeitszeremonie. Wer diese Schritte gemeinsam geht, ist nach hinduistischer Tradition für mindestens sieben Leben miteinander verbunden.
Moksha – das Ziel jenseits der Wiedergeburten
Doch im Kern des Hinduismus steht nicht nur die Vorstellung ewiger Wiederkehr, sondern auch ein Ausweg: das Moksha.
- Moksha bedeutet die endgültige Befreiung der Seele (Atman) aus dem Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt (Samsara).
- Es ist die Rückkehr in die Einheit mit dem Göttlichen, der Zustand vollkommenen Friedens und der Freiheit von allem Leid.
Für viele westliche Leser ist dieser Begriff am besten zu verstehen, wenn man ihn mit dem Nirvana des Buddhismus vergleicht. Beide Begriffe – Moksha und Nirvana – beschreiben die Erlösung aus dem endlosen Kreislauf des Daseins und das Erreichen einer Wirklichkeit jenseits aller Begrenzungen.
Was das für uns heute bedeutet
Vor diesem Hintergrund bekommt die Botschaft meines Freundes eine neue Tiefe. Die Rede von den „sieben Leben“ ist nicht buchstäblich zu verstehen, sondern als Bild für die Beständigkeit einer Liebe, die alle Grenzen überdauert – selbst die des Todes. Sie trägt durch viele Existenzen hindurch, bis an die Schwelle zur endgültigen Befreiung.
An unserem elften Hochzeitstag berührt mich diese Sichtweise besonders. Unsere Liebe ist im Alltag verwurzelt – mit Routinen, Verantwortung und kleinen Gewohnheiten. Aber vielleicht ist gerade das ihr größtes Wunder: Dass etwas so Alltägliches eine Tiefe entfaltet, die weit über ein einziges Leben hinausreichen könnte.
Ob es am Ende sieben Leben sind oder unzählige, spielt dabei keine Rolle. Was zählt, ist die Erfahrung im Hier und Jetzt: Elf Jahre Ehe, 19 Jahre Liebe. Und der Gedanke, dass diese Liebe stark genug wäre, sieben Leben lang zu tragen – bis in die Ewigkeit.