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Steuerpolitische Verbesserungen im Sinne Thomas Pikettys – Vorschläge für Heidi Reichinnek

952 Wörter

Liebe Frau Reichinnek,

auf Grundlage der bisherigen Analyse der aktuellen Steuerpläne der LINKEN im Vergleich zu den Empfehlungen von Thomas Piketty habe ich folgende Vorschläge erarbeitet. Diese Maßnahmen würden die Steuerpolitik der Partei weiterentwickeln und noch stärker an Pikettys Konzepten zur Verringerung sozialer Ungleichheit ausrichten (Stand: 7. Juli 2025):

  1. Progressive Vermögenssteuer mit internationaler Abstimmung einführen: Die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer sollte ausdrücklich progressiv gestaltet werden, sodass ultrareiche Haushalte deutlich höhere Sätze zahlen. Piketty plädiert für eine jährliche Vermögenssteuer mit einem stark ansteigenden Tarif – etwa bis zu 10 % auf die allerhöchsten Vermögen . Die im aktuellen Programm vorgesehenen Spitzenwerte (z.B. ~12 % ab >1 Mrd. € Vermögen) bewegen sich damit bereits in dem von Piketty empfohlenen Rahmen. Wichtig ist jedoch, dieses Instrument international abzustimmen: Die Linke sollte sich auf EU- und globaler Ebene für eine koordiniert erhobene Vermögensabgabe einsetzen . Durch Austausch von Finanzdaten und gemeinsame Mindeststandards kann verhindert werden, dass große Vermögen ins Ausland flüchten – nur eine global koordinierte Vermögensbesteuerung erzielt laut Piketty maximalen Effekt bei der Eindämmung extremer Konzentration von Reichtum .
  2. Spitzensteuersatz für höchste Einkommen auf ~80 % erhöhen: Zur Einkommenssteuer empfiehlt Piketty, sehr hohe Einkommen deutlich stärker zu belasten. Im historischen Vergleich waren Spitzensteuersätze von 70–80 % (etwa in den USA/UK der Nachkriegszeit) keine Ausnahme und hemmten das Wachstum nicht, sondern begrenzten exzessive Managergehälter und „Rent-Seeking“. Die LINKE fordert aktuell 75 % ab 1 Mio. € Jahreseinkommen; im Sinne Pikettys Forschung kann man hier sogar an ~80 % denken . Ein solcher Spitzensteuersatz auf extreme Einkommen – kombiniert mit dem Schließen von Schlupflöchern und internationaler Kooperation gegen Steuervermeidung – würde sicherstellen, dass die obersten 0,1 % der Einkommensbezieher angemessen zum Gemeinwohl beitragen. Piketty argumentiert, man müsse einen Spitzensteuersatz von 80 % wieder „denkbar“ machen , um die rasant wachsende Einkommensungleichheit einzudämmen. Dieses Signal könnte im Parteiprogramm verankert werden, um unsere entschlossene Haltung für mehr Steuergerechtigkeit zu unterstreichen.
  3. Steil progressive Erbschaft- und Schenkungssteuer verankern: Die Erbschaftssteuer sollte gemäß Pikettys Ansatz deutlich progressiver gestaltet werden, damit große Vermögensübergänge stärker zum Gemeinwohl beitragen. Konkret bedeutet das: Kleine und mittlere Erbschaften blieben weitgehend steuerfrei oder niedrig besteuert, während sehr große Nachlässe mit deutlich höheren Steuersätzen belegt würden . So könnte z.B. ein mehrstufiger Tarif eingeführt werden, bei dem jenseits eines hohen Freibetrags (etwa mehrere hunderttausend Euro) die Steuerquote ansteigt und für Milliardenerbschaften durchaus 50 % oder mehr betragen kann. Piketty sieht in einer solchen progressiven Erbschaftssteuer ein zentrales Instrument, um dynastische Vermögensanhäufungen aufzubrechen und Chancengleichheit herzustellen . Die Linke sollte daher im Programm verankern, die Erbschaft- und Schenkungssteuer entsprechend zu reformieren – hohe Vermögen würden so anteilig an die Gesellschaft zurückgegeben, während Familienunternehmen und normaler Privatbesitz durch hohe Freibeträge geschützt bleiben.
  4. „Startkapital für alle“ prüfen (Grunderbschaft): Als visionäre Ergänzung könnte Die Linke Pikettys Konzept einer allgemeinen Start-Erbschaft aufnehmen. Piketty schlägt vor, jedem Bürger bzw. jeder Bürgerin zum 25. Geburtstag ein bedingungsloses Startkapital auszuzahlen, finanziert aus den Einnahmen der Vermögens- und Erbschaftssteuern . Die Höhe sollte etwa 60 % des Durchschnittsvermögens betragen – was in vielen Ländern rund 100.000–120.000 € entspricht . Ein solches „Grunderbe“ würde jungen Menschen einen faireren Start ins Erwachsenenleben ermöglichen (z.B. für Ausbildung, Wohneigentum oder Gründung eines Unternehmens) und die Vermögensungleichheit langfristig reduzieren. Finanzierbarkeit: Durch hohe Abgaben auf Multimillionen-Erbschaften und große Privatvermögen kann ein solcher Fonds gespeist werden . Die Verankerung dieser Idee im Programm – zumindest als prüfenswerte langfristige Vision – würde die Zielrichtung der LINKEN hin zu echter Vermögensumverteilung und Chancengleichheit unterstreichen, ganz im Sinne Pikettys Vorschläge.
  5. Steuerlast gerecht umschichten – indirekte Steuern senken, progressive Umweltsteuer einführen: Piketty betont, dass die Mehrheit der Bevölkerung entlastet und die Reichsten mehr beitragen sollten . Daher empfiehlt er, indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer, die vor allem geringe Einkommen relativ stärker belasten, schrittweise zu reduzieren oder ganz abzuschaffen . Die Linke könnte im Programm festhalten, den Anteil solcher regressiven Verbrauchsteuern deutlich zu senken. Als Ausgleich und zur ökologischen Steuerungswirkung schlägt Piketty eine progressive CO₂-Steuer vor . Diese sollte sozial gestaltet sein – z.B. mit Kompensation pro Kopf oder Ausnahmen für Grundbedürfnisse – sodass Klimaschutz erreicht wird, ohne Geringverdiener übermäßig zu belasten. Eine Umschichtung weg von der hohen Mehrwertsteuer hin zu direkten Steuern auf Vermögen, Erbschaften und CO₂-Ausstoß würde das Steuersystem einfacher und gerechter machen . Die Partei kann somit verdeutlichen, dass soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen: Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, Belastung der Superreichen und klimaschädlichen Aktivitäten – ein Ansatz, der klar Pikettys Linie folgt.

Diese fünf Punkte fassen die wesentlichen Verbesserungsansätze zusammen, mit denen die LINKE ihr Steuerkonzept nach Pikettys Maßgaben schärfen kann. Sie würden das aktuelle Programm ergänzen und modernisieren, um noch konsequenter gegen Ungleichheit vorzugehen. Gleichzeitig blieben wir unserem Grundsatz treu, soziale Gerechtigkeit mit finanzieller Verantwortlichkeit zu verbinden – indem diejenigen mit dem größten Vermögen und Einkommen einen fairen Anteil zur Gesellschaft beitragen. Ich empfehle, diese Vorschläge im Vorstand und in der Programmkommission zur Diskussion zu stellen, um eine mögliche Aufnahme in das Parteiprogramm zu prüfen.

Quellen: Die oben angeführten Empfehlungen stützen sich auf die Analysen von Thomas Piketty und aktuelle Berichte zur Steuerpolitik. Zentrale Referenzen umfassen u.a. Pikettys Forderung nach einer globalen progressiven Vermögenssteuer , seinen gemeinsam mit E. Saez vertretenen Appell zu 80 % Spitzensteuersatz für Top-Verdiener , sowie Zusammenfassungen seiner Reformvorschläge (u.a. progressive Erbschaftssteuer, Grunderbe und Umschichtung der Steuerlast) aus sekundären Quellen . Diese belegen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen empirisch untermauert und fachlich begründet sind.