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Von Daten zu Szenarien: Eine demografische KI-Fallstudie zur Frage der „Islamisierung des Abendlandes“

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Wie sieht die Zukunft aus? Diese Frage fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten, doch im Bereich der Demografie ist sie besonders herausfordernd. Bevölkerungsentwicklung folgt langsamen, aber mächtigen Kräften: Geburten, Migration, gesellschaftlichem Wandel, Säkularisierung. Unsere Fallstudie hat versucht, genau diese Kräfte transparent zu modellieren – nicht um die Zukunft vorherzusagen, sondern um zu verstehen, wie verschiedene Trends miteinander interagieren.

Der folgende Artikel dokumentiert den vollständigen Weg von den Ausgangsdaten über die Modellarchitektur bis hin zu den Simulationsergebnissen. Er dient als nachvollziehbare Grundlage für die beiden begleitenden Beiträge, die die Erkenntnisse aus dem realistischen Kernlayer und dem explorativen Layer narrativ aufbereiten.

Warum wir diese Fallstudie durchgeführt haben

Die Frage, in welchem Jahr eine religiöse Gruppe in Deutschland eine andere überholen könnte, entsteht oft aus gesellschaftlicher Neugier, nicht aus politischer Absicht. Dabei geht es weniger um Vorhersagen als darum, zu verstehen, wie langfristige Trends – Säkularisierung, Migration, veränderte Religionszugehörigkeit – zusammenwirken.

Deutschland ist ein besonders spannender Fall: historisch christlich geprägt, seit Jahrzehnten säkularisierend, mit moderater bis signifikanter internationaler Migration. Ein komplexer, dynamischer Raum.

Datengrundlage: Wo wir begonnen haben

Wir stützten uns auf etablierte Quellen wie:

  • nationale Statistiken zur Religionszugehörigkeit
  • Kirchenmitgliederstudien
  • etablierte demografische Projektionen
  • empirisch geschätzte Trends zu Migration und Säkularisierung

Da nicht alle Parameter exakt verfügbar sind, arbeiten solche Studien oft mit plausiblen Annahmespannen. Genau hier beginnt die Modellierung.

Modellarchitektur: Drei Gruppen, zwei Layer

Im Kernmodell betrachteten wir:

  • Christen
  • Muslime
  • Restgruppe (Konfessionslose & andere Religionen)

Diese Vereinfachung erlaubt robuste, transparente Trendmodellierung.

Layer A – das realistische Kernmodell

Dieses Modell nutzt eng kalibrierte Parameter. Es orientiert sich nahe an empirisch belegten Trends und vermeidet Extreme.

Layer B – das explorative Modell

Hier erweiterten wir bewusst die Parameterbereiche, um zu prüfen:

  • Welche Ergebnisse liefern stark veränderte Annahmen?
  • Wo sind die Grenzen der Projektion?
  • Wie reagiert das Modell auf Extremwerte?

Mathematisches Grundgerüst — ohne technische Überfrachtung

Die Entwicklung einer Gruppe über die Zeit wird durch eine Kombination aus langfristigem Trend (Drift) und jährlicher Zufallsschwankung beschrieben. So entstehen flexible, realistische Entwicklungen ohne starre Annahmen.

Das Überholjahr definieren wir als erstes Jahr, in dem:

Anteil Muslime > Anteil Christen

Innerhalb des Modells ist das eine klare mathematische Größe – keine Aussage über die reale Zukunft.

Kalibrierung: Der Abgleich mit der Realität

Wir überprüften rückblickend, wie gut das Modell vergangene Entwicklungen approximieren kann. Unsere Kalibrierung orientierte sich u.a. an:

  • Säkularisierung seit den 1990ern
  • erwarteten Mitgliederverlusten der Kirchen bis 2060
  • Projektionen der muslimischen Bevölkerungsanteile bis 2050

Die Monte-Carlo-Simulation: 50.000 mögliche Zukünfte

Jede Zukunft ist ein möglicher Pfad. Durch Tausende solcher Pfade entsteht eine Wahrscheinlichkeitslandschaft.

Ergebnisse:

  • Realistischer Kernlayer: Überholjahr ~ 2110
  • Exploratives Modell: Überholjahr ~ 2085

Diese Zahlen sind Modellergebnisse, nicht Prognosen.

Das Wichtigste: Transparenz über die Grenzen

  • Modelle reagieren sensibel auf langfristige Annahmen.
  • Sie zeigen nicht „die Zukunft“, sondern „was passiert, wenn Trends sich fortsetzen“.
  • Der größte Unsicherheitsfaktor liegt nicht im Zufall, sondern in den Annahmen selbst.

Fazit

Diese Fallstudie zeigt, wie unterschiedlich Ergebnisse ausfallen können – je nachdem, wie eng oder weit man Parameter setzt. Doch sie zeigt auch: Modellieren hilft, komplexe Dynamiken zu verstehen.

Die beiden folgenden Artikel vertiefen die Ergebnisse der beiden Modelllayer – einmal realistisch, einmal explorativ.

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